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Warum kostenlose eBooks boomen (und warum fast kein Titel 1,99 Euro kostet)

Keine Frage: Digital-Leser wollen kostenlose eBooks. Und Verlage und Autoren haben handfeste wirtschaftliche Gründe, diese Nachfrage auch zu bedienen, wie die neue Auswertung eines Distributoren illustriert. Für kostenpflichtige Titel haben sich mittlerweile drei Preisklassen etabliert – und ein "schwarzes Loch" mittendrin.

Für seine inzwischen vierte jährliche Erhebung hat der US-amerikanische Dienstleister Smashwords die Verkaufszahlen von 250.000 eBooks ausgewertet, die das Unternehmen unter anderem zu iBooks, Kobo und Amazon ausliefert. Die Auswertung gibt interessante Aufschlüsse über beliebte Genres (fast zwei Drittel der Verkäufe entfallen auf Romantik- und Erotik-Titel), nachgefragte Textlängen (länger verkauft besser), die Effizienz von Marketing-Tools (Leser wollen vorbestellen) und eben auch den perfekten Preispunkt.

41x mehr Downloads – und Folgekäufe

Bei kostenlosen eBooks hat es in den Vorjahren einen deutlichen Abfall der Nachfrage im Vergleich zu kostenpflichtigen Titeln gegeben. Wurde ein gratis eBook im Jahr 2012 bei iBooks durchschnittlich noch 100x häufiger heruntergeladen als ein kostenpflichtiger Titel, waren es 2013 noch 91x und 2014 "nur noch" 39x so viele Downloads. Smashwords erwartete einen weiteren Abfall, tatsächlich ist die Ratio im Zeitraum 04.2014-03.2015 allerdings wieder leicht gestiegen (41x).

Der Dienstleister erklärt das damit, dass mehr und mehr Lesefreunde kostenlose eBooks  als einen grundsätzlichen Weg für sich entdecken, neue Autoren und Stoffe risikolos kennenzulernen. Gratis Titel werden hier sozusagen als stark erweiterte Leseprobe genutzt. Für Autoren ergibt sich laut Smashwords daraus das Potenzial, Leser "Wort für Wort" zu Fans und sogar zu "Evangelisten" zu machen, die "darauf vertrauen, dass alles was du schreibst supertoll ist".

"'Kostenlos' funktioniert"

Bildschirmfoto 2015-12-04 um 12.00.08Die Effektivität kostenloser eBooks zur Promotion weiterer eigener Titel ist auch direkt mit Verkaufsdaten belegt, und zwar bei Buchreihen. Bei ganzen 48 Prozent der 1.000 beliebtesten Serien im Smashwords-Katalog ist der erste Tiel der Reihe umsonst. Von den 1.000 Serien zwischen Platz 9.001 und 1.000 wird hingegen nur bei 21 Prozent der erste Teil abgegeben. Auch innerhalb der Top 100 ist der Unterschied frappierend (Grafik rechts).

Smashwords dazu: "Wenn du Serien schreibst und den ersten Teil nicht kostenlos abgibst, entgehen dir wahrscheinlich viele Leser und Verkäufe". Und, in Kürze: "'Kostenlos' funktioniert!" Der Marketingeffekt überwiegt den Kannibalisierungseffekt also bei weitem – eine gute Nachricht sicherlich auch für die Leserschaft, denen hier die Möglichkeit zum unverbindlichen Hereinschnuppern gegeben wird. In unseren eBook Tipps weisen wir übrigens 3x wöchentlich auf interessante kostenlose eBooks hin.

0,99 = Deal, 2,99-3,99 = Standard, 9,99 = Verlag

Irgendwann wollen Autoren und Verlage dann aber natürlich doch Geld verdienen und hängen Preisschilder an ihre eBooks. Hier haben sich international ($=€) drei Preisklassen herausgebildet. 0,99 US-Dollar kosten eBooks in aller Regel im Rahmen von Preisaktionen, wenn sie besonders kurz sind oder wenn einfach nur absolute Verkäufe über alles gehen (etwa zur Anfütterung als Aufakt einer Serie, sollte dieser nicht kostenlos sein). Zu keinem Preis werden mehr Titel verkauft, allerdings etwas zu Lasten der Umsätze.

Bildschirmfoto 2015-12-04 um 13.18.41

Der ökonomische Sweet Spot liegt laut Smashwords bei +/- 3,99 US-Dollar. Die Umsätze sind in dieser Preisregion am höchsten. Und dann gibt es noch stark nachgefragte Verlagstitel im Bereich 9,99 US-Dollar. Die absolute Zahl der Verkäufe ist hier weitaus geringer als bei günstigeren Titeln (was perspektisch schlecht ist, weil die Fangemeinde kleiner bleibt). Durch den hohen Verkaufspreis ergeben sich aber trotzdem erkleckliche Umsätze.

1,99 gilt als minderwertig

Ein ökonomisches No-Go ist hingegen die Preisregion 1-1,99 US-Dollar, von Smashwords als "schwarzes Loch" bezeichnet. Im Bereich "unter 5 US-Dollar" verdienen Autoren hier 73 Prozent weniger als zu anderen Preispunkten. Mit 0,99-US-Dollar-Preisschild werden 65 Prozent mehr Leser erreicht und zusätzlich mehr direkte Umsätze gemacht, bei 2,99 US-Dollar sind sogar die direkten Verkaufszahlen höher. Ganz ohne Berücksichtigung davon, dass die Ausschüttungen bei Platzhirsch Amazon ab 2,99 US-Dollar/Euro drastisch höher sind als bei günstigeren eBooks (70 Prozent vs. 35 Prozent).

Smashwords hat für das Phänomen keine Erklärung, vermutet eine entsprechend konditionierte Leserschaft. eBook-Käufer würden 0,99 US-Dollar als Aktionsangebot sehen und Preise von 2,99 US-Dollar aufwärts als fair. 1,99 US-Dollar könnte als Preis erscheinen für "qualitativ minderwertige eBooks, die es nicht bis 2,99 US-Dollar geschafft haben".

Die Fakten sprechen jedenfalls für sich, auch bei einem Blick in den deutschen Kindle Store. In den Top 50 gibt es mehr als ein Dutzend 0,99-Euro-Aktionsangebote, aber derzeit nur einen einzigen Titel im Preisbereich 1,00-1,99 Euro (Bis du wieder atmen kannst). Gewohnheiten schleifen sich eben schnell ein – Print-Verlage, die seit Jahren weitgehend erfolglos den Sprung über etablierte Schwellenpreisgrenzen versuchen, können davon ein Lied singen. Die Buchpreise steigen sogar langsamer als die Inflationsrate.

<Bildnachweis: Free von Shutterstock>

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Kommentare


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