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Was plant Amazon-Chef Bezos mit der Washington Post?

Jeff BezosNach der Überraschung kommen die Fragezeichen: Was hat Jeff Bezos mit der ehrwürdigen Washington Post vor, die er gerade für 250 Millionen US-Dollar kaufte? Auf jeden Fall wird er Geld verdienen wollen.

Kein Schnäppchen

Gerade in Deutschland wird der Preis vielfach in Relation zum jüngst angekündigten Verkauf von Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Hörzu und anderen Publikationen gesetzt. 920 Millionen Euro fliessen hier von der Funke Mediengruppe an Axel Springer, damit scheinen die 250 Millionen US-Dollar für die Washington Post ein ausgesprochenes Schnäppchen.

Allerdings: Während die von Axel Springer verkauften Publikationen im Geschäftsjahr 2012 immerhin 94 Millionen Euro Gewinn bei 512 Millionen Euro Umsatz abwarfen, musste die Washington Post im selben Zeitraum Verluste in Höhe von mehr als 50 Millionen US-Dollar verkraften. Bezos hat sich hier also ein höchst angeschlagenes Unternehmen gesichert – so oder so schmerzt ihn der Kaufpreis kaum, entspricht er doch gerade einmal einem Prozent seines auf 25 Milliarden US-Dollar geschätzten Vermögens.

Masterplan: Fehlanzeige

Gemeinhin erwartet man bei einem Unternehmenskauf durch einen Geschäftsmann wie Jeff Bezos einen fertig ausgearbeiteten Masterplan in der Schublade. Im Gegenteil räumt Bezos allerdings in einem offenen Brief an die Belegschaft ein: "Wir werden experimentieren müssen." Er sei aufgeregt und optimistisch hinsichtlich der Möglichkeiten, neue Dinge auszuprobieren.

Und Neuerungen und Experimente wird es zweifellos einige geben. Bezos hat in einem gerade wieder vielbeachteten Interview mit der Berliner Zeitung im vergangenen November unmissverständlich klar gemacht, dass er das Zeitalter der Print-Zeitungen enden sieht: In 20 Jahren würden gedruckte Zeitungen allenfalls Luxusartikel sein, er lese schon jetzt keine Periodika auf Papier mehr.

Bezos ist als visionärer Mann mit langem Atem bekannt, schreibt die Washington Post selbst. So habe er in der Vergangenheit in ein Unternehmen für Weltraumflüge investiert und eine Uhr finanziert, die auf eine Laufzeit von 10.000 Jahren ausgelegt ist und in einen Berg gebaut wurde. Entsprechend kann man sich sicher sein, dass Bezos die "Post" nicht als kurzzeitige Spielwiese sehen wird, sondern einen langen Atem hat und auch jahrelange rote Zahlen zugunsten einer Vision verkraftet.

Gedruckte Washington Post bald Geschichte?

Der Amazon-Gründer ist aber bei weitem kein gönnerhafter Stifter – mit der Washington Post wird er Geld verdienen wollen und dabei sicherlich einen ähnlich radikalen Kurs einschlagen wie mit Amazon. Es steht außer Frage, das die Printfassung (aktuelle Auflage: 400.000 Exemplare) ein Auslaufmodell ist und digitale Erlösmodelle bei der "Post" in den nächsten Jahren wohl mehr gepusht und ausprobiert werden als bei den meisten anderen Medienhäusern. Eine halbdurchlässige Paywall hat die "Post" bereits (20 Artikel monatlich frei).

Und Amazon?

Hinter vielen Gedanken und Artikeln zur Transaktion schwebt die Frage, an welchem Punkt Amazon ins Spiel kommt. Immerhin stößt der Online-Händler aus Seattle derzeit massiv ins Verlagsgeschäft vor – bislang allerdings nur mit E-Books. Eine digitale Kindle-Zeitung gibt es noch nicht. Ob die Washington Post das wird (über ihre schon lange erhältliche Kindle Edition hinaus), erscheint fraglich – dann wäre das Medienhaus über die prall gefüllte Kriegskasse von Amazon bezahlt worden. Das Kindle-Ökosystem könnte aber eine künftig wichtige Rolle in der Digital-Strategie der "Post" einnehmen – so sind Kindle Singles mit Artikeln und Essays aus dem Medienhaus nur eine Frage der Zeit.

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Kommentare


ReaderT2 6. August 2013 um 13:38

Spekulieren wir mal ein bisschen: Bald gibt es beispielsweise von Sony einen 13,3″ eReader. Damit lassen sich auch Zeitungstexte wesentlich besser lesen als bisher. Auch ein entsprechendes Gegenstück von Amazon Kindle kann ich mir gut vorstellen.
Wenn die Washington Post wieder Gewinne macht, dürfte der Verkauf an Amazon bevorstehen.
Damit wäre Amazon nicht nur ein Versandhändler, Buchhändler (Print und eBook), Buchverlag (Print und eBook), sondern ganz neu auch ein Zeitungsverlag.
Im Internet hat Amazon schon sehr viel erreicht. Da gibt es im Moment nicht mehr viel zu holen.
Es geht wohl in Richtung, Kundenkreise für Amazon gewinnen, die derzeit noch unerreichbar sind. Die Kunden, die im Zeitschriften- und Buchhandel unterwegs sind und Onlineshops kaum oder gar nicht wahrnehmen.
Mit Selfpublishing-Titeln in den Buchhandel zu kommen dürfte sehr schwer sein. Mit renommierten Journalisten dürfte das deutlich einfacher werden.
Ebenso im Zeitschriftenhandel.
Beides Bereiche in denen Amazon praktisch noch gar nicht vorkommt.
Höchstmögliche Wahrnehmung bei niedrigstmöglichen Kosten, bevorzugt an der Sache noch gut verdienend.

Antworten

Not-OP: Jeff Bezos verbringt Neujahr in Klinik » eBook News » lesen.net 6. Januar 2014 um 12:45

[…] Kollegen müssen es wissen: Businessinsider gehört zum privaten Medienkonglomerat von Jeff Bezos, ebenso wie die Washington Post, die am gestrigen Sonntag ebenfalls über den Vorfall […]

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