Wegen eBooks: EU-Razzia in Verlagen
Während zur laufenden Computermesse Cebit Polizeirazzien bei vermeintlich plagiiierenden fernöstlichen IT-Herstellern seit Jahren usus sind, sah sich gestern eine gewöhnlich unbescholtene Branche im Visier der Ermittler. EU-Wettbewerbshüter ließen europaweit etliche Verlagshäuser durchsuchen, darunter renommierte Großverlage wie der französische Marktführer Hachette Livre. Hinter der konzentrierten Aktion, welche die Aufdeckung von wettbewerbsrechtswidrigem Verhalten (Absprachen zu Pricing und Veröffentlichungsrahmen von eBooks zwischen den Verlagen) zum Ziel hatte, soll Kindle-Bauer Amazon stecken.
Der überwiegende Teil der Untersuchungen scheint in Frankreich vorgenommen worden zu sein, die EU spricht in einem Statement wage von "einigen Mitgliedsstaaten". Die Kollegen von Buchreport brachten in Erfahrung, dass bislang offenbar kein in Deutschland angesiedelter Verlag betroffen war (beziehungsweise sich zumindest noch niemand ratsuchend an den Börsenverein gewandt hat). Wenn tatsächlich Amazon die Razzia angezettelt hat, könnte es allerdings auch ungemütlich für deutsche Verlage werden.
Denn glaubt man Francis Esmenard, Chef vom von der Aktion betroffenen französischen Publisher Albin Michel ("die Ermittler führten sich auf wie Cowboys"), möchte Amazon über den "Umweg Wettbewerbsrecht" niedrigere eBook-Preise durchsetzen; wie auch bei uns plant das Unternehmen in Frankreich intensiv die Eröffnung eines lokalen Kindle Store, rekrutiert seit Monaten qualifiziertes Personal dafür. Die französische Nationalversammlung steht darüber hinaus vor der Verabschiedung eines Gesetzes zur eBook-Preisbindung, das Amazon als ausländischen Anbieter allerdings möglicherweise überhaupt nicht tangiert.
Ob und was für Konsequenzen die Durchsuchungen für den deutschen Markt haben, lässt sich nicht wirklich abschätzen. Es gibt zwar auch hierzulande verlagsübergreifende "Trends" wie eine einheitliche Bepreisung von günstigstem Printprodukt und eBook bei recht ähnlichen absoluten Preisen. Dass es sich dabei allerdings um schriftlich fixierte widerrechtliche Angebotskartelle handelt, erscheint doch recht weit hergeholt; die EU-Kommission schreibt allerdings wohl auch nicht ohne Grund, sie habe "Grund zu der Annahme" genau dafür.
Ob Amazon die juristische Keule bei einem erfolgreichen europäischen Markteintritt seiner Kindle Plattform hilft, bleibt ohnehin abzuwarten. Festzustellen ist allerdings, dass sich die Lobbyisten exakt der gleichen Mittel bedienen (wenn etwa der Börsenverein Buchpreisbindungsabtrünnigen schon präventiv mit Musterprozessen droht); Klagen von dieser Seite über das raubeinige Vorgehen von Amazon wären also zumindest ein wenig scheinheilig.
Kommentare
carokann 2. März 2011 um 21:44
Festung Europa? ROFL
Nico Weingart 3. März 2011 um 12:51
Bin sehr gespannt, was als Ergebnis bei den Untersuchungen herauskommt.
Wie Johannes schreibt, ist das Preisniveau deutscher eBooks im Vergleich zu Printbüchern tatsächlich sehr ähnlich. Aber das lässt sich auch mit der Zögerlichkeit der Verlagsbranche erklären…
Eeyore 3. März 2011 um 22:11
Passt "konzertierte Aktion" nicht besser als "konzentrierte Aktion"?