1-Dollar-Kindle kommt näher
Das Geschäftsmodell von proprietären Ökosystemen wie der Kindle Plattform ist kein Geheimnis: Während der Hardwareverkauf zumeist nur wenig Gewinn abwirft oder sogar ein Verlustgeschäft darstellt (so machte Sony jahrelang pro verkaufter Playstation mehrere Hundert US-Dollar Miese), wird das eigentliche Geld mit Inhalten verdient. Entsprechend häufen sich nun wieder einmal die Spekulationen, Amazon könnte seine Kindles bald zu einem symbolischen Preis abgeben oder sogar verschenken; verantwortlich für die neueste Entwicklung sind (ausgerechnet) die Verlage.
In Märkten ohne gesetzliche Buchpreisbindung – insbesondere in den USA und in Großbritannien – versuchen die Verlage immer mehr, die Preishoheit über ihre eBooks in der Hand zu behalten und mit verpflichtenden Einheitspreisen einem langfristig margenschädigenden Preiskampf wie in UK entgegen zu wirken.
Weil sich Händler wie Amazon nach dem Agency Model – vorvergangene Woche auch von Random House als letztem der großen US-Publisher eingeführt – nun nicht mehr über die eBook-Preise gegenüber der Konkurrenz differenzieren können, gleichzeitig aber garantiert mit jedem verkauften eBook gutes Geld verdienen (was zuvor gerade bei Bestsellern längst nicht immer der Fall war), ist eine noch stärkere Subventionierung der Hardware zuletzt deutlich attraktiver geworden.
Naturgemäß würde Amazon mit de facto kostenlos abgegebenen Kindles primär lese- und kauffreudige "Heavy Customers" erreichen wollen – wie jene Amazon Prime Kunden, denen Amazon schon vor einem Jahr einen quasi-kostenlosen Kindle offerierte. CNN spekuliert weiterhin, das Unternehmen könnte Nutzern einen kostenlosen Kindle spendieren, die ihre bislang gekauften eBooks aktuell noch über Apps lesen – und auf einem neuen komfortablen Lesegerät noch mehr digital kaufen und schmökern würden.
Ohnehin sitzt Amazon.com an einer riesigen Datenquelle und kann gezielt solchen Kundengruppen vergünstigte Lesegeräte offerieren, die anschließend mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Kindle Store einkaufen. Distributoren wie Trekstor, die an ähnlichen Geschäftsmodellen arbeiten, haben diese Selektionsmöglichkeiten nicht und müssen ihre vergünstigte Hardware an Abnahmeverpflichtungen für Content knüpfen (Abos, Buchclubs) – aus Kundensicht natürlich wesentlich weniger attraktiv.
Der Verkaufspreis stellt bei elektronischen Lesegeräten ein wesentliches Kaufkriterium dar, Herstellungs- und Verkaufspreise bewegen sich seit Jahren steil nach unten (rechts visualisiert für den Kindle von John Walkenbach); die komplett kostenlose Abgabe zumindest an ausgewählte Lesefreunde ist da nur konsequent und wohl nicht mehr als eine Frage der Zeit.
Wirtschaftlich ist ein solches Prozedere allerdings nur in geschlossenen Ökosystemen; die Kostenschere zwischen offen konzipierten Readern etwa von Sony und weitgehend autarken Devices wie dem Kindle wird sich also weiter öffnen. Vernetzte, aber gleichzeitig auch für außerhalb des Ökosystems gekaufte eBooks offene (konkret bedeutet das momentan die Unterstützung von epub-Dateien mit Adobe DRM) Lesegeräte wie der Oyo von Thalia, der Acer Lumiread oder auch die neuen Pocketbooks sitzen zwischen den Stühlen, hier werden sich Händler und Hersteller mittelfristig für eine klare Strategie entscheiden müssen.
- Amazon Kindle 3 bei amazon.com
- Amazon Kindle Wi-Fi bei amazon.com
Kommentare
Thomas Knip 12. März 2011 um 02:29
Das geschlossene System kann auch für Online-Shops ein Problem werden, die eben kein Lesegerät bzw. keine Infrastruktur dafür anbieten.
Kunden sind bequem, von daher wird es interessant sein zu beobachten, ob oder wie sehr sich der Markt verschieben wird, sobald ein subventioniertes "Alles-aus-einer-Hand"-Paket am Markt ist.
Mir hat letztens ein großer Distributor erzählt, er rechne damit, dass es in zwei, drei Jahren nur noch Amazon und Apple geben würde und von Libri und Thalia kein Mensch mehr spricht.
Etwas extrem vielleicht, die These, aber von ihrem Kerngedanken nicht von der Hand zu weisen.
Amazon blockiert eBook-Verleihseite » eBooks » lesen.net 23. März 2011 um 11:07
[…] Literatur rechtfertigen, ist allerdings schon strukturell im geschlossenen und hardwareseitig zunehmend subventionierten Kindle-Ökosystem nicht vorgesehen. Fakt ist: Ein eBook verfügt gegenwärtig nur dann über […]
Ein Leser 7. April 2011 um 00:50
Das geschlossene Ecosystem hat beim Heimcomputer-Markt nicht funktioniert. Android ist das neue Windows. Apple läuft Gefahr mit seinrm iOS genauso von Google an die Wand gedrückt zu werden wie einst von Microsoft.