Kindle, Buch & iPad unter dem Mikroskop
Wer sich mit dem Gedanken trägt, sich ein mobiles Lesegerät anzuschaffen, wird früher oder später über die Frage stolpern, welcher Reader besser in der Lage ist, das gewohnte Lese-Feeling abzubilden. Soll es ein Kindle sein? Oder doch lieber ein iPad? Es gibt viele Faktoren, die in eine solche Überlegung hineinspielen: Funktionsumfang, Speicherplatz, Akkulaufzeit, Bearbeitungsmöglichkeiten – doch an vorderster Stelle steht fast immer die Frage nach der direkten Darstellung des Textes. Wie scharf ist der Kindle eigentlich im Vergleich zum iPad?
Der US-Programmierer Keith Peters hat die Probe aufs Exempel gemacht und mit dem Mikroskop nachrecherchiert (wer das Experiment reproduzieren möchte: er benutzte ein USB-Mikroskop von Veho). Als Testobjekte standen ihm ein Kindle der zweiten Generation sowie ein iPad zur Verfügung. Das Ergebnis? Es bleibt offen.
Im Ausschnitt links sehen wir das 6-Zoll-Display eines Kindle 2 bei 26-facher Vergrößerung. Der Amazon-Reader bringt es laut Datenblatt bei 16 Graustufen auf 167 Pixel pro Inch (ppi). Wobei "Pixel" tatsächlich das falsche Wort ist, da hier E-Ink zum Einsatz kommt. Dabei werden Mikrokapseln, die mit schwarzen und weißen Pigmenten gefüllt sind, unter Spannung gesetzt. Je nach Bedarf wandern so schwarze oder weiße Partikel an die Oberfläche direkt unter das Display. In der folgenden Ansicht sind die Kapseln bei 400-facher Vergrößerung recht gut zu erkennen:
Kommen wir zum iPad. Das Apple-Tablet verfügt über ein 9,7-Zoll-Display mit einer Auflösung von 132 ppi (weitere schöne ppi-Vergleiche finden übrigens sich bei Wikipedia). Keith hat eine Aufnahme in 26-facher Vergrößerung geschossen, bei der sich bereits deutlich die blauen, grünen und roten Pixel abzeichnen:
Einen Schritt weiter sind wir bei der 375-fachen Vergrößerung angekommen. Physikalisch gesehen kann das iPad-Display die Schrift schärfer abbilden, da die Pixel linear und damit weniger organisch als die Mikrokapseln des Kindle funktionieren. Jedoch fallen beim Apple-Bildschirm auch die schwächer beleuchteten Bildpunkte auf, die auf die Antialiasing-Technik zurückgehen. Dabei werden bei der Buchstabendarstellung automatisch Berechnungen durchgeführt, die eine Glättung der Zeichenkanten bewirken sollen. Um dies zu erreichen, werden auch benachbarte Pixel aktiviert, was die Härte aus dem Schriftbild nimmt – dieses aber auch minimal verwäscht:
Eine direkte Gegenüberstellung der Zeichendarstellung ist abschließend also kaum möglich, da bei beiden Geräten jeweils ein anderes Verfahren zum Einsatz kommt. Zudem gibt es weitere Faktoren, die in eine solche Rechnung einbezogen werden müssten: Dadurch, dass die Farbpigmente beim Kindle direkt unter der Display-Oberfläche liegen, ist in der Praxis ein wesentlich größerer Sichtwinkel möglich. Gleichzeitig leidet die Lesbarkeit nicht unter einer direkten Sonneneinstrahlung. Zuletzt sollte auch nicht vergessen werden, dass E-Ink eine außergewöhnlich energiesparende Technik ist, da Strom nur einmalig beim Aufbau einer Seite benötigt wird. Ist diese geladen, wird die Energiezufuhr unterbrochen, was eine längere Akku-Laufzeit und zudem kein flackerndes Bild zur Folge hat.
Stärken wiederum hat auch das iPad zu bieten: Es besitzt ein Farbdisplay, erlaubt bessere Bearbeitungsmöglichkeiten für Texte und bietet dank Multitouch ein haptischeres Leseerlebnis. Außerdem hat Apple bereits eine neue Generation von Bildschirmen entwickelt, das Retina-Display, das bereits beim iPhone 4 zum Einsatz kommt und dort eine satte Pixeldichte von 326 ppi bietet. Es gilt als so gut wie sicher, dass diese Technologie auch in kommenden Modellen des iPad Verwendung finden wird.
Weiterhin reicht bis dato kein mobiler Reader an die Schärfe des gedruckten Wortes heran. Keith hat auf Bitten der Leser weitere Makroaufnahmen gemacht, bei der er sich neben Magazin- und Zeitunsgblättern auch ein Buch vorgeknöpft hat. Zum Vergleich zu den obigen Aufnahmen sehen wir im Folgenden also den Ausschnitt einer Buchseite, zunächst die 26-fache Vergrößerung, dann die 400-fache:
Kommentare
Achim 15. August 2010 um 12:38
Es gab doch vor Äonen schon Studien, die sich mit der Lesegeschwindigkeit beschäftigen, damals Buch vs. TFT. Mich irritiert schon, dass man da mittlerweile kaum mehr etwas zu findet. Der wesentliche Faktor war damals die Hintergrundbeleuchtung, die zu einer schnelleren Ermüdung der Augen führt.
Achim Mueller 15. August 2010 um 18:38
"Der wesentliche Faktor war damals die Hintergrundbeleuchtung, die zu einer schnelleren Ermüdung der Augen führt."
Auch ohne Studien merke ich sehr schnell den Unterschied zw. Laptop/Flatscreen ect. und dem EInk Bildschirm eines Readers – stundenlang lesen ohne Ermüdung gelingt nur auf der 2. Variante wirklich – ein Buch möchte ich nicht wirklich auf dem Ipad lesen.
Mal ganz abgesehen von Größe und Gewicht….
calvin 16. August 2010 um 16:12
schöner Vergleich, da sieht man mal plastisch wie "schlecht" ein LCD Display für schwarz weiß Grafiken ist. Wäre interessant mal ein s/w LCD Display im Vergleich dazu.
Oder auch das neue iPhone 4 Display welches ja eine extreme dpi Zahl hat.
Bigboo73 22. August 2010 um 19:51
Ich kann meinen vorrednern nicht ganz zustimmen. Da ich sowohl auf einem iPad als auch auf einem 5″ eink lese kann ich mir ganz gut ein Bild davon machen.
Abends oder im Bett liest es sich schöner mit dem iPad(minimale Beleuchtung) im Tageslicht ist das EInk klar im Vorteil.
Diese immer wieder zitierte Ermüdung beim lesen vor lcds kann ich nicht bestätigen, ist aber wohl subjektiv.
Wer gern in deutsch liest kommt aber an einem freien EReader mit Adobe Digital Editions noch nicht vorbei. Ibooks ist auch noch nicht so gut sortiert. Kindle/Amazone kann man voll vergessen.