Kindle Oasis angefasst: Der neue Klassenbeste [+Video]
Der Premium-Standard nicht nur bei Amazon, sondern im gesamten E-Reading-Kosmos heißt ab sofort Kindle Oasis. Die Anzeigequalität, mehr aber noch die Bauform beeindruckten uns bei einem ersten Kurz-Test. Das Handling erfordert aber eine gewisse Eingewöhnungszeit und möglicherweise auch eine Umstellung von Gewohnheiten.
Metallverstärktes Gehäuse
180 bis 200 Gramm bringen die aktuell meistverkauften eBook Reader von Kindle und Tolino auf die Waage, nur 131 Gramm der Kindle Oasis. Ein deutlicher Unterschied, der sich in der Hand sofort bemerkbar macht. Man hat eher das Gefühl, ein Smartphone in der Hand zu haben (iPhone 6s: 143 Gramm) als ein dediziertes Lesegerät.
Der Oasis wirkt nicht sonderlich robust, soll es aber sein, auch außerhalb der Hülle. Das Display ist durch spezielles Schutzglas geschützt, das Gehäuse von innen galvanisiert (= mit einer sehr dünnen Metallschicht überzogen) und damit außerordentlich verwindungssteif. Amazon hatte eine nackte sowie eine galvanisierte Hülle zum Pressetermin mitgebracht, der Unterschied war tatsächlich sprichwörtlich spürbar. Im Schadensfall sollten Kindle-Oasis-Nutzer außerdem mit einer sehr kulanten Garantie-Regelung rechnen können.
Bauform erfordert Umgewöhnung
Sämtliche technische Komponenten sind am (aus Rechtshändersicht) rechten Rand verbaut, wo sich auch die phyikalischen Blättertasten auf der ansonsten planen Oberfläche befinden. Dadurch ist nicht nur das Design stark asymmetrisch, sondern auch die Gewichtsverteilung. Der Schwerpunkt am Griff sorgt für einen verringerten Hebel-Effekt und für eine entsprechend leichtere einhändige Bedienung. Ohne Cover fühlt sich das Gerät in größeren Händen allerdings doch schon sehr verloren an, eine Struktur auf der Rückseite wäre der – subjektiven – Griffigkeit zuträglich gewesen. Und der Kindle Oasis will ganz eindeutig einhändig benutzt werden: Wer seinen eBook Reader bislang üblicherweise in zwei Händen hält, wird sich umgewöhnen müssen.
Geblättert wird wahlweise über den berührungsempfindlichen Bildschirm oder über die seitlichen Blättertasten. Anders als beim Kindle Voyage (Pagepress-Sensoren) hat sich Amazon für physikalische Blättertasten geschrieben – ein Amazon-Mitarbeiter begründete uns das mit einer intuitiveren Bedienung und Haltung in der Anwenderhand, der Daumen lande ganz natürlich auf den Tasten. Bauartbedingt gibt es die Tasten nur auf einer Seite (Voyage: beidseitig), durch eine Drehung des Gerätes kann aber von rechts- zu linkshändigem Blättern gewechselt werden. Im Test reagierte der Bewegungssensor wirklich flink.
Wer sich innerhalb der vergangenen drei Jahren einen neuen Kindle zulegte, wird sich auf der Oberfläche sofort zurecht finden: Der Kindle Oasis wird mit der gleichen Firmware ausgeliefert, die derzeit auch bei der sonstigen Kindle-Flotte bis inklusive dem Kindle Paperwhite 2 im Einsatz ist. Die üblichen Vorzüge (sehr ausgereift und funktionsreich, gute Verknüpfung an einen reich befüllten eBook Store mit leistungsfähigen Lese-Apps) und Nachteile (recht geschlossenes Ökosystem) der Kindle-Plattform gelten natürlich auch hier.
Display: Bessere Kontraste durch mehr LEDs
Das berührungsempfindliche 6-Zoll-E-Ink-Display löst 1448×1072px und kommt baugleich auch im Kindle Voyage, im Kindle Paperwhite 3 sowie in den aktuellen Sechs-Zoll-Geräten von Tolino und Kobo zum Einsatz. Spekulationen über einen erstmaligen Einsatz der von Amazon gekauften Liquavista-Technik für eine farbige Darstellung bewahrheiteten sich also nicht. Ein Amazon-Mitarbeiter sagte uns zum Thema, man habe "sehr große Qualitätsansprüche". Anders gesagt: Liquavista ist schlicht noch nicht so weit.
Enttäuscht sein dürften auch diejenigen Digital-Leser, die sich einen wasserdichten Kindle erhofft hatten. Laut einem Amazon-Mitarbeiter sei Wasserschutz keine häufig nachgefragte Funktion, man habe sich statt dessen ganz auf die Konstruktion eines besonders kleinen und leichten Lesegerätes konzentriert. Mit einer Bildschirmdiagonale von sechs Zoll, die beim Händler nach wie vor als perfektes eBook-Reader-Format gesehen wird. Statt einen größeren Formatfaktor (Kobo Aura H2O: 6,8″) habe man sich vielmehr auf eine Optimierung des Verhältnisses von Panel und Gehäuse fokussiert.
Das E-Ink-Display selbst ist keine Innovation, wohl aber seine Beleuchtung. Amazon verbaute die LEDs an der Längsseite statt unten und erhöhte ihre Zahl von 6 auf 10. Durch die größere Anzahl an Leuchtquellen und den naturgemäß kürzeren Weg (links-rechts < oben-unten) konnte das Kontrastverhältnis bei eingeschalteter Beleuchtung tatsächlich noch einmal leicht gegenüber dem bisher Klassenbesten Kindle Voyage erhöht werden.
Der Kindle Oasis selbst verfügt über eine Akkulaufzeit von 2 Wochen, durch Nutzung des im beiliegenden Cover integrierten Akku sind bis zu 9 Wochen drin (ausgeschaltetes WLAN, 30min lesen täglich). Das 107 Gramm wiegende Cover hat keine eigene Ladebuchse, es wird direkt über den eBook Reader geladen. Das braune Cover sind aus Glattleder, das dunkelrote und das schwarze Leder-Cover etwas texturiert (wer eine originale Kindle-Paperwhite-Hülle besitzt, weiß bescheid). Alle drei Cover liegen qualitativ auf sehr hohem Niveau – was angesichts des Preischildes freilich auch zu erwarten ist.
Fazit: Viel Geld für viel Lesevergnügen
Der Kindle Oasis ist auf jeden Fall ein außergewöhnlicher eBook Reader. Der Einstiegspreis von 290 Euro ist beim derzeitigen Marktumfeld enorm, zum gleichen Preis hätte man vor wenigen Wochen auch drei Kindle Paperwhite 3 bekommen. Andererseits: Der Sony Reader PRS-505 kam in Deutschland im Frühjahr 2009 für 299 Euro in die Auslagen von Thalia & Co., der erste Kindle (2007) kostete gar 399 US-Dollar.Dedizierte Lesegeräte richten sich generell an Viel-Leser. Wer täglich stundenlang mit der Nase in Büchern steckt – durchaus auch unterwegs, wo der Kindle Oasis über das geringe Gewicht seine Vorteile ausspielt – und über das nötige Kleingeld verfügt, bekommt eine spannende neue Option zur Auswahl. Gerade auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Geräteklasse weitgehend ausentwickelt ist und eben nicht jedes Jahr ein neuer eBook Reader zu erwerben ist – ein wesentlicher Grund für bröckelnde Verkaufszahlen.
Jeder Digital-Leser muss sich aber natürlich die Frage stellen, wie gut für ihn persönlich "gut genug" ist. Auch mit einem Kindle Voyage, einem Kindle Paperwhite 3 oder auch einem Tolino Vision 3 HD lassen sich vergnügliche Lesestunden verbringen. Und landet das Gerät versehentlich in der Badewanne, tut das in der Geldbörse dann erheblich weniger weh (oder würde vom Tolino Vision 3 HD sogar überlebt).
- Kindle Oasis für 290 Euro bei Amazon.de
- Kindle Oasis 3G für 350 Euro bei Amazon.de
Kommentare
Kindle Oasis: 131-Gramm-Luxuslesegerät – ab 290 Euro » lesen.net 13. April 2016 um 15:07
[…] Kindle Oasis angefasst: Der neue Klassenbeste [+Video] […]
“Schlimm verlockt”: Kindle Oasis spaltet Gemüter » lesen.net 14. April 2016 um 12:56
[…] Im Vorfeld der offiziellen Vorstellung bekamen ausgewählte Medien den Kindle Oasis bereits bei Einzelterminen zu Gesicht. In Deutschland präsentierte Amazon in Berlin, Hamburg und München. Stets dabei waren neben Geburtstags-Muffins (5 Jahre Kindle in Deutschland) auch zwei Manager des Amazon-Entwicklungslabor Lab 126, die bereitwillig auch fehlende Funktionen und Spezifikationen (Größe, Displaytechnik, Wasserdichtheit) begründeten. Mehr dazu in unserem Erfahrungsbericht. […]