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Kindle Voyage im Test [+Video]

Der eBook Reader mit der höchsten Auflösung kommt ab November wieder aus dem Hause Amazon. Der Kindle Voyage löst den Kobo Aura HD nach anderthalb Jahren in dieser Disziplin ab, neben seinem knackig scharfen 6-Zoll-Display hat er allerlei weitere äußere und innere Qualitäten. Ob das Lesegerät die ausgerufenen 189 Euro wert ist? Unser Testbericht.

Optik und Haptik

Kindle Voyage

Kindle Voyage

Kindle Voyage und Kindle Paperwhite 2 sieht man ihre enge Verwandschaft auf den ersten Blick nicht an, die Geräte stecken in grundverschiedenen Gehäusen. Während der Kindle Paperwhite 2 (gleiches Chassis wie der 2012 erschienene Kindle Paperwhite) mit seiner mattschwarzen Umrahmung eher dezent daherkommt, zieht der Kindle Voyage im Cafè zweifelsohne mehr Blicke auf sich.

Der Voyage verfügt als erster eBook Reader von Amazon über eine plane Oberfläche, wie man sie von Tablets und Smartphones kennt (und von neuen Kobo-Lesegeräten sowie vom Tolino Vision 1/2). Neben optischen hat das auch praktische Vorteile, weil der Finger beim Wischen nicht "abstürzt" beziehungsweise an die Kante "prallt". Die Front besteht jetzt aus Glas statt Plastik (Paperwhite 1/2). Nach wie gibt es keine Tasten auf der Vorderseite und jetzt auch nicht mehr an der Seite – der Startbutton ist auf die Rückseite gewandert.

Die Rückseite ist seitlich leicht abgeschrägt und oben mit Klavierlack überzogen, wie man es von den Fire HDX Tablets kennt. Dadurch sticht die Rückseite ins Auge, das glänzende Plastik ist aber ein Fingerabdruck-Magnet par excellence und wirkt wie ein Fremdkörper am Gehäuse – eine zumindest fragwürdige Designentscheidung.

Im Vergleich zum Kindle Paperwhite 2 ist der Voyage 26 Gramm leichter (180g zu 206g ohne 3G) und 1,5mm dünner (7,6mm zu 9,1mm). Das macht sich in der Handhabung deutlich bemerkbar, Kindle-Paperwhite-Besitzer werden sich umgewöhnen müssen. Der Voyage ist spürbar leichter, allerdings nicht unbedingt griffiger – zumindest in der Handhabung bringt die geringere Dicke keinen Vorteil. Anders sieht es unterwegs aus, gerade in der Mantel-, Jacket- oder Handtasche zählt jeder Millimeter.

Zubehör

Zum Inhalt der schicken Verpackung zählen neben dem eBook Reader lediglich eine kurze Schnellstartanleitung und ein USB-Kabel. Ein USB-Netzteil ist bei Bedarf separat zu erwerben – für 190 Euro dürfte das in unseren Augen durchaus beiliegen (ja, viele Technikfreunde haben bereits eine Schublade voll davon, aber die sind eben nicht die unmittelbare Zielgruppe eines solchen Lesegerätes).

Amazon legte unserem Testmuster auch noch das 60 Euro teure Origami-Ledercover bei, das wir uns in einem separaten Artikel anschauen. Daneben gibt es auch noch ein originales Origami-Kunststoffcover für 45 Euro, sowie allerlei Drittanbieter-Modelle, die derzeit bei 30 Euro losgehen. Der Kindle Voyage verfügt über eine automatische Sleep/Wake-Funktion, bei Schließung des (originalen) Cover wird das Gerät in den Ruhemodus versetzt und bei Öffnung wieder aufgeweckt.

Technik

Wie der Kindle Paperwhite 2 verfügt auch der Voyage über 4 Gbyte Speicherplatz, eine Erweiterungsmöglichkeit gibt es nicht. Das 6″ E-Ink-Carta-Display löst 1440x1080px auf, was 300ppi und damit einer neuen Bestmarke entspricht. Alle anderen derzeit erhältlichen Sechs-Zoller kommen maximal auf 212ppi (1024x758px), der Kobo Aura H2O und der Kobo Aura HD auch "nur" auf 265ppi (1430x1080px auf 6,8 Zoll). Ein neuer Helligkeits-Sensor passt die Stärke der integrierten Beleuchtung auf Wunsch dem Umgebungslicht an. Geblättert wird über den kapazitiven Multi-Touchscreen oder über die ebenfalls neuen PagePress-Sensoren (dazu unten mehr).

Software

Text-Anpassungsoptionen

Text-Anpassungsoptionen

Schon in unserem Kindle-Paperwhite-2-Testbericht schrieben wir, "man merkt der Firmware an, dass sich Amazon seit mindestens sechs Jahren intensiv mit elektronischen Lesegeräten, ihrer Oberfläche und nicht zuletzt auch mit ihrer Käuferschaft beschäftigt." Das hat sich auch beim Kindle Voyage nicht geändert. Das Betriebssystem ist infolge einer kurzen Einführung absolut intuitiv benutzbar und lässt wenig funktionale Wünsche offen.

Mit acht Schriftgrößen und sieben Schriftarten setzt Amazon keine Maßstäbe, die Optionen sind aber völlig ausreichend. Gleiches gilt für die je drei zur Verfügung stehenden Anpassungsmöglichkeiten für Zeilenabstand und Seitenränder. Was fehlt: Optionen zur Anpassung von Textschärfe und -stärke (beides bei Kobo vorhanden), automatische Silbentrennung und vor allem eine anpassbare Textausrichtung.

Der Kindle Voyage unterstützt nativ die Textformate AZW3, AZW, TXT, PDF, MOBI und PRC, nicht jedoch epub-Dateien. Weil auch der Adobe-Kopierschutz nicht unterstützt wird, mit dem die meisten Verlage ihre außerhalb des Kindle-Kosmos verkauften eBooks versehen, sind Kindle-Nutzer beim eBook-Kauf weitgehend auf die Amazon-Plattform beschränkt (und beim Verleih auf Kindle Unlimited).

Wie jedes Jahr führt Amazon mit der neuen eBook-Reader-Generation ein paar neue Firmware-Funktionen ein. Im Vorjahr kamen unter anderem X-Ray und Pageflip hinzu, diesmal sind es die Family Library (Verleih von dafür freigeschalteten eBooks an Familienmitglieder), Word Wise (automatische Anzeige von Wort-Definitionen bei komplizierten – englischsprachigen – Texten), About the Book (Kontext-Informationen etwa zu Autor und Serien-Platz vor dem Loslesen) und eine erweiterte Suchfunktion. Alle diese neuen Funktionen sind allerdings "coming soon", aktuell entspricht die Firmware der des Kindle Paperwhite 2 (mit Ausnahme von Anpassungsoptionen für neue Funktionen wie Pagepress und automatischer Beleuchtung).

Lesen

Kindle Paperwhite 2 links, Kindle Voyage rechts (ohne Beleuchtung)

Kindle Paperwhite 2 links, Kindle Voyage rechts (ohne Beleuchtung)

Zur Anzeigequalität gibt es keine zwei Meinungen: Auf keinem eBook Reader sieht Text so gut aus wie auf dem Kindle Voyage. Text ist knackig scharf und auch ohne Beleuchtung sehr kontrastreich. Regelt man die Helligkeit hoch, erhöht sich der Kontrast nahezu auf LCD-/Papier-Niveau. Die Ausleuchtung ist sehr gleichmäßig und neutral, der leichte Gelbstich des Kindle Paperwhite 2 ist passè. Im Vergleich zum Tolino Vision 2 fällt auf, dass sich die Beleuchtung von Kindle-Lesegeräten deutlich höher regeln lässt – ein Vorteil insbesondere in hellen Umgebungen.

Der Seitenwechsel vollzieht sich in Sekundenbruchteilen, sei es über den flink reagierenden Touchscreen oder über die PagePress-Sensoren. Dabei handelt es sich um je zwei Buttons auf den Gehäuseseiten (groß unten für Vorblättern, klein oben für Zurückblättern), die zur Aktivierung sozusagen ins Gehäuse gedrückt werden müssen. Bei Betätigung geben sie sogar ein kleines taktiles Feedback in Form einer Vibration.

Sowohl die Vibration als auch die nötige Druckstärke zur Aktivierung lassen sich mehrstufig anpassen oder auch ganz ausschalten. In der Praxis haben sich die Buttons bewährt: Sie sprechen sehr zuverlässig auf Berührungen an, versehentliches Blättern kommt praktisch nicht vor. Bei Nutzung von Pagepress muss zum Blättern nicht mehr umgegriffen werden, weil der Daumen ohnehin über dem Sensor ruht – definitiv ein Komfort-Plus.

Tolino Vision 2, Kindle Paperwhite 2, Kindle Voyage (von links nach rechts, alle 100% Beleuchtung)

Tolino Vision 2, Kindle Paperwhite 2, Kindle Voyage (von links nach rechts, alle 100% Beleuchtung)

Schreiben, Arbeiten

PDF-"Optionen" des Kindle Voyage

PDF-"Optionen" des Kindle Voyage

Bei der Textbearbeitung bleibt alles beim Alten. Auszug aus unserem Testbericht zum Kindle Paperwhite 2: "Markiert man ein Wort oder eine Passage, poppt ein Kontextmenü mit einer ganzen Reihe Optionen auf. Neben den Klassikern “Notizen” und “Markierungen” (die automatisch mit anderen Kindle-Geräten synchronisiert werden, ebenso wie die zuletzt gelesene Textstelle) lässt sich Text übersetzen oder bei Wikipedia nachschlagen."

Ebenfalls nichts verändert hat sich bei der PDF-Funktion – leider, denn die Funktionsvielfalt lässt sehr zu wünschen übrig. Locked Zoom, PDF Reflow oder ein zuschneidbarer Rand – Optionen, die wir etwa bei Lesegeräten von Sony schon 2010 gesehen haben – gibt es nicht. Immerhin: Die Pagepress-Sensoren sorgen für eine leichte Verbesserung beim Lesen in groß gezoomten Dokumenten (Zoomen über Touchscreen, Blättern über Pagepress).

Auf der anderen Seite offenbart die Kindle Voyage erstaunliche Probleme bei der Navigation in "schweren" Dokumenten wie unserer 18 Mbyte großen PDF-Ausgabe der TAZ. Die Anzeige ist hier deutlich hakeliger als in vielen (wesentlich älteren und günstigeren) Modellen der Konkurrenz, aber auch als beim Kindle Paperwhite 2. Unter dem Strich ist der Kindle Voyage mit Sicherheit nicht das richtige Gerät fürs regelmäßige Lesen von PDF-Dateien, im Grundsatz trifft das allerdings auf alle 6″-E-Ink-Reader zu. Für die Arbeit mit nativ großformatigen Dateien sind LCD-Geräte einfach besser geeignet.

eBooks kaufen, Cloud, Apps

Drei Millionen eBooks, darunter Hunderttausende exklusive Titel von Indie-Autoren und zahlreiche kostenlose eBooks – der Kindle Store ist zweifelsohne das Maß aller Dinge im eBook-Bereich (weitere Infos: eBooks kaufen (Infoseite)). Eine gute Option ist die Kindle-Plattform insbesondere auch für Leser englischsprachiger eBooks, wo Amazon ein großes Sortiment und gerade über englischsprachige Kindle Deals sehr gute Preise hat. Der Nutzungs-Komfort ist hoch, die Amazon-Philosophie "customer first" sieht man an vielen Ecken – so lassen sich nirgendwo sonst eBooks bei Nicht-Gefallen so einfach und unkompliziert zurückgeben.

Ganz weit vorne ist Amazon auch mit seinem App-Ökosystem. So gibt es ausgezeichnete Lese-Software für alle gängigen Desktop- und Mobile-Plattformen sowie eine Web-App fürs Lesen im Web-Browser. In die Cloud geladene oder direkt bei Amazon gekaufte eBooks synchronisieren sich über alle Plattformen, inklusive gemachten Anmerkungen und Notizen sowie der zuletzt gelesenen Seite. Besser geht es nicht.

Fazit

kindle voyage review 2+

Die Qualität der Textanzeige auf dem Kindle Voyage sucht ihresgleichen: Kein anderes Lesegerät hat ein solch scharfes und kontrastreiches Display. Buchstaben auf dem E-Ink-Carta-Panel wirken wie gedruckt, nach einigen gelesenen Seiten sieht die Textanzeige auf Kindle Paperwhite 2 und Tolino Vision 2 beinahe unscharf aus. Kein Zweifel: Der Kindle Voyage setzt Maßstäbe.

Auch Pagepress ist eine echte Verbesserung. Die Buttons integrieren sich super in die schicke neue Gehäusefront und stellen eine gute Alternative zum Blättern per Touchscreen dar. Im Test haben wir nach einiger Zeit nur noch per Pagepress geblättert – es ist einfach praktisch, zum Seitenwechsel die Handposition nicht mehr verändern zu müssen. Auch die optionale neue Regulierung der Beleuchtung ist nett, mehr aber auch nicht.

Das runderneuerte Chassis gefällt grundsätzlich. Die Firmware ist sehr ausgereift und intuitiv bedienbar. App-Ökosystem und Auswahl im Store suchen ihresgleichen, …

…, allerdings sind Kindle-Nutzer im Bereich kommerzieller Literatur weitgehend auf den Kindle Store beschränkt. Abgesehen von einigen wenigen Exklusiv-Titeln anderer Händler verpasst man damit zwar nichts, allerdings gibt es einen nicht zu unterschätzenden Log-In-Effekt. Der Kauf eines Kindle und infolge dessen von Kindle Books ist eine konsequenzenreiche Entscheidung, weil man mit seiner Bibliothek später nicht beispielsweise zur Tolino-Plattform "umziehen" kann (zumindest nicht auf legalem Weg).

Die Firmware-Optionen sind solide, ein bisschen mehr Anpassungsmöglichkeiten dürften es aber gerade angesichts des Preisschildes und dem damit verbundenen Premium-Anspruch doch sein. Das gilt für die normale Textanzeige (Ausrichtung, Silbentrennung), noch mehr aber für die PDF-Anzeige. Hier ist doch sehr offensichtlich, dass die PDF-Funktion für Amazon keinerlei Priorität hat – Nutzer, bei denen das anders aussieht, sind mit dem Kindle Voyage an der falschen Adresse.

=

award kindle voyage finalDas Display ist die Kernkomponente eines jeden dedizierten Lesegerätes, und hier ist der Kindle Voyage die klare Nummer 1. Der Sprung in der Anzeige-Qualität ist zwar nicht ganz so groß wie bei der Einführung beleuchteter eBook Reader vor zwei Jahren (mit dem ersten Kindle Paperwhite), die Verbesserung ist aber schon enorm beziehungsweise der Kindle-Voyage-Screen "schockierend gut", wie es The Verge formuliert.

Bleibt die Frage nach dem Verhältnis von Preis und Leistung. 190 Euro sind für einen Sechs-Zoller ohne besondere Funktionen im Jahr 2014 zweifelsohne viel Geld. Der Kindle Paperwhite 2 ist auch im Vergleich zum Kindle Voyage noch ein sehr gutes Lesegerät und kostet satte 80 Euro weniger – viel Geld, das sich etwa in Dutzende Stunden digitalem Lesespaß investieren ließe. Der Kobo Aura H2O kostet 10 Euro weniger und hat ein größeres Display nahezu der gleichen Güte, zusätzlich ist er wasserdicht. Und das Pocketbook Ultra bringt zum gleichen Preis unter anderem Audio nebst Text-To-Speech, unzählige Anpassungsoptionen, einen microSD-Slot, eine Kamera mit OCR-Funktion und und und (hier stimmt das Gesamtergebnis aber nicht).

Braucht man den Kindle Voyage für ein exzellentes E-Reading-Erlebnis? Mit Sicherheit nicht. Wer schon ein E-Ink-Carta-Lesegerät sein Eigen nennt (insbesondere Kindle Paperwhite 2, Kobo Aura H2O, Tolino Vision 1), kann sich das Geld guten Gewissens sparen. Und wer von einem älteren Gerät "upgraden" will oder gar den ersten eBook-Reader-Kauf plant, macht auch mit 60 beziehungsweise 80 Euro günstigeren Lesegeräten (Vision 2 beziehungsweise Kindle PW 2) nichts falsch. Wer aber schlicht und ergreifend das beste digitale Leseerlebnis haben will, das man sich Ende 2014 für Geld kaufen kann, der kommt am Kindle Voyage nicht vorbei.

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