Pocketbook 302 im Test (+HD-Video)
WLAN, Bluetooth, Touchscreen, USB-Anschluss, 5 Gbyte Speicherplatz "ab Werk" – das Pocketbook 302 ist unbestritten der Technologieführer unter den derzeit erhältlichen Lesegeräten. Ob der knapp 300 Euro teure Sechs-Zoller auch in der Praxis die Nr. 1 ist, klärt unser Testbericht.
Optik, Haptik, Zubehör
Das von Netronix (baut u.a. auch die Cybooks) zusammen gezimmerte Pocketbook 302 ist nicht gerade eine Designperle. Die schnörkellose weiße Plastikummantelung ist funktional und lässt den Device trotz viel verbauter Technik mit 280g recht leichtgewichtig bleiben, im optischen Vergleich zur direkten Konkurrenz von Sony (Touch Edition) wird das Pocketbook 302 aber wohl nur bei wenigen Nutzern die Nase vorn haben.
Dafür versucht Pocketbook, beim Kunstledercover ein bisschen Emotionalität ins Spiel zu bringen: Der braune Vintage-Look erinnert an die Mäntel alter vielgelesener Bücher. Die Nutzung ist aber nicht nur aufgrund des etwas künstlichen haptischen Empfindens Geschmackssache: Cover und Pocketbook müssen fest miteinander verklebt werden, weshalb eine flexible Nutzung des Covers (etwa auf Reisen) nicht möglich ist. Ungewöhnlich – zumindest für Westeuropa – ist außerdem, dass der Schutz nach oben/hinten und nicht etwa seitlich wegzuklappen ist. Das hat Vorteile (bessere Zugänglichkeit der seitlichen Tasten), andererseits lässt sich das Pocketbook damit nicht mehr buchähnlich halten und bedienen. Zudem liegt der eBook Reader mit aufgeklapptem Cover recht massiv in den Händen.
Neben einer großen "Home-Taste" befinden sich je zwei unterschiedlich große Tasten auf den beiden Displayseiten, welche – vorbildlich – praktisch frei konfiguriert werden können. Weil sich verschiedene Aktionen für kurzes und langes Drücken zuweisen lassen, lassen sich ganze acht Funktionen auf die Tasten verteilen.
Wie schon beim Pocketbook 360° werden die Keys schräg nach unten gedrückt, was zumindest ungewohnt und auch ein bisschen schwergängig ist.
Neben dem eBook Reader und dem obligatorischen USB-Kabel zur Content-Befüllung/Aufladung via PC gehört ein Netzteil und eine 4 Gbyte microSD-Karte zur Erweiterung des 1 Gbyte Speicherplatzes zum Lieferumfang. Das Handbuch gibt es wie üblich nur in digitaler Form (auch online).
Zudem legt Pocketbook jedem 302 eine Mattfolie zur optionalen Beklebung des Touchscreen-Displays bei. Ein Provisorium: Im Mai erscheint unter dem Modellnamen Pocketbook 602 ein Schwestermodell, welches bei ansonsten gleichen Specs einen matten Touchscreen mitbringen soll. Das Unternehmen verspricht 302er-Käufern eine kostenlose Umrüstung, bezahlt werden müssen nur anfallende Versandkosten.
Technik & Funktionen
Das Bluetooth-Modul und der vollwertige USB-Anschluss bieten die Möglichkeit zur umfangreichen funtionalen Erweiterung des Pocketbook 302 – praktisch könnte zum Beispiel der Anschluss einer externen Tastatur sein, über die umfangreichere Notizen zur gelesenen Literatur eingegeben werden können. Haken: Derzeit gibt es weder Tastatur-Treiber noch ein entsprechendes Textbearbeitungsprogramm. Beides soll im Zuge eines der nächsten Firmware-Updates folgen, die Featureliste sugzessive ausgebaut werden.
Ein Key Feature des Pocketbook 302 ist sicherlich das WLAN-Modul und die darüber mögliche drahtlose Befüllung mit eBooks aus einem bereits gelaunchten integrierten eBook Store namens Bookland. Davor steht allerdings erst einmal die Netzwerkkonfiguration, wo Probleme und Inkompatibilitäten (etwa bei Nutzung der Funkkanäle 12 oder 13) eher die Regel als die Ausnahme sind. In einschlägigen Foren haben sich schon etliche hilfesuchende Nutzer zu Wort gemeldet, denen hier immerhin zeitnah von Pocketbook-Mitarbeitern geholfen wird.
Bei Bookland finden sich bereits zahlreiche gemeinfreie Dokumente unter anderem aus dem Project Gutenberg, die recht leicht zugänglich sind und mit ein paar Klicks heruntergeladen werden können. funktional wie im Bezug aufs Angebot steckt das Portal aber noch in den Kinderschuhen: Auch einen Monat nach dem Start sind immer noch nur kostenlose eBooks verfügbar, eine Payment-Schnittstelle wurde noch nicht implementiert. Literatur lässt sich ausschließlich nach Schriftstellern sotiert aufrufen, viele Titel finden sich unter leicht variierten Namen mehrfach im Store ("Das kommunistische Manifest" zum Beispiel mindestens 3x).
Immerhin zu einem Platz im Hauptmenü hat es für den RSS-Reader gereicht. Angezeigt werden Abstracts der letzten Beiträge einer Website – auch, wenn die Artikel von den Feeds eigentlich im Volltext ausgeliefert werden. Weil es darüber hinaus keine "online weiterlesen" Option gibt, ist der Nutzen dieses Tools derzeit noch sehr überschaubar.
Softwareseitig lässt sich das Pocketbook 302 mittels Apps aufrüsten – aus einer vorwiegend osteuropäischen Entwicklergemeinde kommen ständig neue Minianwendungen, hauptsächlich recht simpel gehaltene Spiele. Ein ambitionierteres Projekt ist ein "MiniBrowser", der auf dem Pocketbook 302 bereits vorinstalliert ist. Das Tool macht allerdings seinem Namen alle Ehre: Das Surferlebnis ist äußerst rudimentär, viele Seitenelemente werden überhaupt nicht oder nicht korrekt angezeigt.
An Bord sind weiterhin ein Bildanzeigeprogramm sowie ein MP3-Player, wobei die Musikausgabe nur über den 3,5mm-Klinkenstecker erfolgt – Lautsprecher hat das Pocketbook 302 nicht. Ein Verwaltungsprogramm für Notizen (dazu unten mehr) sowie ein Kalender komplettieren die Hauptnavigation.
Usability
Die Navigation erfolgt ausschließlich über den Touchscreen – eine Steuerung über die haptischen Tasten ist nicht vorgesehen. Dank großer Symbole ist das aber kein Problem: Auch bei einer vergleichsweise grobmotorischen Bedienung mit den Finger passieren kaum Fehleingaben. Wischbewegungen klappen mit der Mattfolie dagegen überhaupt nicht mehr – zum Blättern muss dann doch auf den Stylus zurück gegriffen werden.
Eingaben werden zügig entgegen genommen, die Bildaufbauzeit entspricht mit kanpp einer Sekunde dem aktuellen Marktniveau. Naturgemäß ein bisschen mehr Geduld muss beim öffnen großer pdf-Dateien wie Personal News mitgebracht werden, hier hängt sich die Software auch gerne mal auf.
Lesen & Notieren
Die Lesbarkeit in heller Umgebung ist ohne Verwendung der Matt-Folie indiskutabel, mit aufgeklebter Plastikhaut zumindest durchschnittlich. Das Display spiegelt auch bei Nutzung der Matt-Folie deutlich mehr als Lesegeräte mit Wacom-Touchscreen (z.B. Onyx Boox 60) und büßt Kontraste ein, ist aber als Lesebildschirm in jedem Fall brauchbar. Direkte Sonneneinstrahlung trübt das Literaturerlebnis allerdings erheblich.
Innerhalb von eBooks können Wörter nachgeschlagen (vorinstalliert ist ein Englisch-Deutsch Wörterbuch), das Inhaltsverzeichnis aufgerufen, Lesezeichen gesetzt und Bildschirmfotos gemacht werden. Diese Funktion ersetzt das typische Markieren und Kopieren von Text, wie es die meisten anderen Touchscreen-Reader erlauben.
Der Screenshot lässt sich in einem seperaten Notizprogramm um Handschriftliches ergänzen, zum Aufrufen und Bearbeiten der "abfotografierten" Textstelle ist also das Buch erst einmal zu verlassen – schade. Die Dateien werden als Bilder gespeichert und lassen sich so auf PC/Mac exportieren. Soll dann mit dem Text weiter gearbeitet werden, ist die entsprechende Passage dann noch einmal abzutippen.
Fazit
Eines lässt sich dem Pocketbook 302 sicherlich nicht absprechen: Potenzial. Das schon jetzt vorhandene Rumpfangebot ist äußerst vielversprechend und lässt für die Zukunft spannende funktionale Erweiterungen erwarten. Die Popularität von Pocketbook in Osteuropa und die sich daraus ergebende große Open Source Szene um das Projekt dürften eine kontinuierliche Fortentwicklung sicherstellen.
Wer bereits als "Early Adopter" zugeschlagen hat oder aktuell mit einer Anschaffung liebäugelt, hat davon momentan natürlich wenig. Wie viele elektronische Lesegeräte hauptsächlich der "kleineren Anbieter" reift auch das Pocketbook 302 beim Kunden. Dass zugunsten eines zeitigen Verkaufsstarts viele teils essentielle Features noch überhaupt nicht (Arbeiten mit Tastatur) oder nicht richtig (RSS-Feeds, Browser) integriert wurden, wirft kein gutes Licht auf den jungen Hersteller. Auch dem integrierten eBook-Laden hätte ein bisschen mehr Ausarbeitungszeit gut zu Gesicht gestanden.
Das Pocketbook 302 ist sicherlich schon heute kein schlechtes Lesegerät; in seiner Preis- und Produktklasse sucht es sogar in Sachen Funktionsumfang schon heute seinesgleichen. Das Onyx Boox 60 kann weniger und ist genauso fehlerbehaftet (gibt aber wesentlich weniger Support), die Sony Reader Touch Edition hat nicht einmal WLAN.
Für wen gelegentliche Firmware-Updates und Eigeninitative bei der Fehlerbehebung kein Problem darstellen und wer Verwendung für einen so reichhaltig ausgestatteten eBook Reader hat ("einfach nur Lesen" kann man mit halb so teuren Devices genauso gut), sollte das Pocketbook 302 in jedem Fall schon einmal auf die Beobachtungsliste setzen. Mit dem Kauf sollte aus praktischen Gründen aber noch ein paar Wochen auf das Pocketbook 602 gewartet werden, dessen matter Touchscreen angenehmeres Lesen verspricht. Positiver Nebeneffekt: Bis zum Verkaufsstart dürfte sich auch bei der Firmware einiges zum Guten entwickelt haben.
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Vielen Dank an Pocketbook für die Bereitstellung des Samples. Das getestete Pocketbook 302 wird in den nächsten Tagen hier auf lesen.net verlost
Kommentare
Mike_73 18. April 2010 um 20:53
Meiner Meinung nach ist ein Wlan-modul ueberbewertet. Mir ist hier eine "fertige" software wichtiger. Ich habe nichts gegen gelegentliche FW updates, bevorzuge aber hierbei einen Funktionszuwachs und nicht nur das Ausmerzen von Abstuerzen meines Spielzeuges. Wesentlich interessanter haette ich einen Vergleich des Displays mit dem des Sony touch gefunden. So wie sich der Bericht liesst, spiegelt das Teil ja extrem. Nun, ich kann mit dem Spiegeln meines 600 gut leben, wuesste aber gerne, ob der Kontrast (Beeintraechtigung durch Touch-layer) besser oder schlechter ist.
Mike_73 18. April 2010 um 20:56
Sorry, ich vergass: ich halte Wlan fuer ueberbewertet, da ich hiermit immer einen Hotspot brauche. Wenn ich ohnehin in der Naehe meines PCs bin, dann kann ich auch ein Kabel anschliessen. Bei unseren deutschen Mobilfunkbetreibern kann ich bisher nicht sehen, dass in absehbarer Zeit brauchbare Modelle a la Kindle oder Sony 900 "Deutschlandreif" sind (ich meine, man bekommt sie hier, aber man kann, zumindest den Sony, nicht sinnvoll nutzen).
Zum Anderen bin ich mir nicht sicher, ob ich will dass Amazon ein volles Profil meiner Lesegewohnheiten anlegen kann (und wer weiss was noch).
mtravellerh 19. April 2010 um 08:55
In naher Zukunft wird Pocketbook ein Modell mit 3G-Modul herausbringen, den 603. Dieser dürfte schon im Frühsommer gelauncht werden.
Mike_73 19. April 2010 um 09:34
Hmm. 3G-Modul klingt schon vernuenftiger. Gibt es da schon Hinweise in welchen Stores man dann einkaufen kann, oder ob man RSS-feeds abonnieren kann?
Pocketbook Shop 19. April 2010 um 10:00
Vielen Dank, Johannes fuer den Bericht! Wir arbeiten staendig an den Verbesserungen des PB302. Bei den momentan angebotenen Geraeten wird die Antireflexfolie bereits am Werk angebracht und die hat noch etwas bessere Antireflex Eigenschaften als die, die hier im Video zu sehen ist (wobei ich mit der alten AR Folie auch sehr zufrieden bin). Die neuen Leder Cover in Business Look sind bereits in Fertigung und sind bald verfuegbar. Ich habe einige Bilder von Prototypen auf MR platziert.
Videobericht hier ist uebrigens toll! Was ist das fuer eine Kamera?
mtravellerh 19. April 2010 um 11:13
Ja, unsere normalen Vertriebspartner werden den Reader auf jeden Fall anbieten. Und RSS geht natürlich auch.
Übrigens: Der 603 hat einen Wacom-Screen.
Micro M 19. April 2010 um 11:17
Unglaublich detailliertes Review – toll!
Bitte verbessern:
sugzessive wird sukzessive geschrieben. (Technik & Funktionen – erster Absatz – letzte Zeile)
funktional groß schreiben (Technik & Funktionen – dritter Absatz – dritte Zeile)
Bei sotiert fehlt das 'r' (Technik & Funktionen – dritter Absatz – sechste Zeile)
Weitere Anmerkungen:
Zitat: 'Direkte Sonneneinstrahlung trübt das Literaturerlebnis allerdings erheblich.' – Hier wird der Hauptvorteil von e-Ink zunichte gemacht.
Zitat: 'Das Onyx Boox 60 kann weniger und ist genauso fehlerbehaftet (gibt aber wesentlich weniger Support)' – Dem muss ich widersprechen – mein Boox läuft bis auf zwei nervige Kleinigkeiten absolut stabil und in sachen Support sind die Boox-Besitzer eher zufrieden als unzufrieden soweit ich in den verschiedenen Foren lese. Und die Sonys kann man weder in punkto Darstellungsqualität noch in punkto Funktionsumfang mit dem Boox vergleichen…
Mike_73 19. April 2010 um 12:22
Wacom touch bedeutet aber, dass Finger zum Bedienen des reader nicht funktionieren, oder?
Micro M 19. April 2010 um 14:24
"Wacom touch bedeutet aber, dass Finger zum Bedienen des reader nicht funktionieren, oder?"
Genauso isses !
mtravellerh 20. April 2010 um 08:09
@Wacom: So wie ich das sehe, muss man derzeit einfach abwägen, was einem mehr wert frei ist: ein reflexionsfreier Schirm oder aber eine Bedienung mit den Fingern. Beides geht derzeit noch nicht.
Kleines Gewinnspiel zum 1. Geburtstag » Interna » lesen.net 30. April 2010 um 00:03
[…] zu haben ist das dazu passende Lesegerät: Unter allen Teilnehmern wird ein Pocketbook 302 verlost. Der Sechs-Zoller ist mit WLAN-Modul, Bluetooth und einem berührungsempfindlichen […]
Ich 9. Juni 2010 um 20:01
Von den Kenndaten scheint dieses Gerät das Funktionalste. Bevor ich es aber kaufe würde ich es aber doch einmal in der Hand halten.
Wird dieses Gerär irgendwo in der Gegend von Wien verkauft oder "ausgestellt"?
Sony Reader PRS-350 + PRS-650 geleaked » Topnews » lesen.net 13. August 2010 um 21:47
[…] zu klären sein. Mehr als kein (Onyx Boox 60) oder ein nur mit gemeinfreier Literatur befüllter (Pocketbook 302) Content Store sollte von Sony und seinen namhaften Partnern schon zu erwarten […]
iRiver Cover Story angefasst » eReader » lesen.net 13. Oktober 2010 um 20:19
[…] um einen konventionellen resistiven Touchscreen, wie er auch im Sony Reader PRS-600 und Pocketbook 302 verbaut ist. Folge: Deutliche Spiegelungen und relativ schlechte Kontraste. Die qualitative […]