Tolino nicht im unabhängigen Buchhandel
Die Tolino-Allianz bekommt vorerst keinen Zuwachs: Die Verhandlungen um eine Bereitstellung von Plattform und Lesegeräten für unabhängige Buchhändler sind gescheitert. Lachender Dritter könnte einmal mehr Amazon sein.
Die Tolino-Plattform, gestartet als Projekt der beiden großen Filialisten Thalia und Weltbild/Hugendubel, des Club Bertelsmann und der Telekom, positionierte sich von Anfang an als offen für weitere Partner. Schon seit dem Frühling verhandelt die MVB (Wirtschaftstochter des Börsenverein) mit den Tolino-Partnern um eine Partizipation der von ihr vertretenen unabhängigen Buchhandlungen. Die Gespräche liefen offenbar gut an – so verlautbarte MVB-Chef Roland Schild im April, "wir sind bereits in der Feinabstimmung".
In den Statements zum am gestrigen Mittwoch verkündeten Scheitern der Verhandlungen liest sich das aber anders. Demnach habe es grundsätzliche Streitpunkte gegeben in den Bereichen
- Content-Bezug: Tolino-Partner sollen ausschließlich den Zulieferer Pubbles nutzen. Für den unabhängigen Buchhandel sei es aber essentiell, weitere Bezugsquellen zu haben, heißt es seitens der MVB.
- Finanzen: Die Tolino-Partner wollten an Investitionen in Marketing und Produktentwicklung beteiligt werden, angeblich auch rückwirkend. Zu dazu notwendigen Subventionierungen war der Börsenverein nicht bereit.
- Mitsprachemöglichkeiten für den unabhängigen Buchhandel bei der weiteren Ausrichtung der Plattform hätte es nicht in ausreichendem Maße gegeben, klagt die MVB.
MVB-Chef Schild bedauert das Scheitern und will nun alternative "Szenarien erarbeiten und diskutieren, wie Lösungen für den E-Book-Verkauf im unabhängigen Sortiment aussehen können", also weiterhin das machen, was der Börsenverein seit mindestens fünf Jahren intensiv macht. Auch die Tolino-Partner zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung traurig darüber, dass keine Einigung erzielt wurde. Man spreche nun mit anderen Partnern.
Die ersten Reaktionen der betroffenen unabhängigen Buchhändler reichen von Erleichterung (weil die Tolino-Allianz ohnehin kein Partner auf Augenhöhe gewesen und die Zusammenarbeit unattraktiv gewesen wäre) bis hin zu Bedauern (weil der Tolino ein gutes Produkt sei und eine Allianz im Kampf gegen Amazon Not tue). Buchhandlungen abseits der Tolino-Allianz stehen zum Weihnachtsgeschäft keineswegs mit leeren Händen da: Grossisten wie Libri haben Pakete aus Hardware (Pocketbook Touch Lux, Sony Reader PRS-T3) und integrierten Stores geschnürt, die für Händler wie Leser durchaus attraktiv sind. Weder sie noch die Tolino-Plattform können es technologisch aber mit der Kindle-Plattform aufnehmen – und der Abstand zum übermächtigen US-Rivalen wird eher noch wachsen, wenn weiterhin regionale Süppchen gekocht werden.
Kommentare
Amazon.com bindet Buchhandel in Kindle-Verkauf ein » Debatte » lesen.net 8. November 2013 um 10:15
[…] die Partner der Tolino-Allianz, deren Verhandlungen mit dem unabhängigen deutschen Buchhandel jüngst auch aus ähnlichen Gründen scheiterten, wie die netten Geschäftspartner aus dem […]
Das war das E-Reading-Jahr 2013 » Debatte » lesen.net 22. Dezember 2013 um 23:12
[…] gibt es aber: Die geplante Erweiterung der Tolino-Allianz um den unabhängigen Buchhandel scheiterte im Herbst, der Tolino bleibt weiterhin ein Projekt der großen […]
Weltbild-Pleite: Fragen und Antworten für Digital-Leser » Debatte » lesen.net 11. Januar 2014 um 17:00
[…] Partner infolge der Weltbild-Insolvenz deutlich erhöht wird – der unabhängige Buchhandel blitzte im Herbst noch ab, dies könnte nun doch nicht das letzte Wort gewesen sein. Auch regionale Filialisten wie Osiander […]
Thalia: Offen für neue Tolino-Partner, aber nicht um jeden Preis » lesen.net 6. Februar 2014 um 18:12
[…] relativiert er aber, die Rahmenbedingungen seien jetzt nicht anderer Art als im Oktober. Damals scheiterten Gespräche über einen Verkauf der Tolino-Familie über unababhängige Buchhandlungen an unterschiedlichen […]
Unabhängige Buchhändler planen gemeinsamen Amazon-Rivalen » lesen.net 6. Mai 2014 um 12:02
[…] Tatsächlich geben die Websites von kleinen und mittelständischen Buchhandlungen meist ein trauriges Bild ab. In der Regel handelt es sich um Baukasten-Stores von Auslieferern wie KNV, Umbreit oder eben auch Libri (die so aussehen). Außer eigener Logos und Intro-Texte und Farbschemata unterscheiden sich die Stores kaum, vielen Buchhändlern fehlt Zeit und Knowhow zur aktiven Betreuung. In sofern ist eine gemeinsame “große Lösung” auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung – zumal der Anschluss an die Tolino-Allianz auf absehbare Zeit gescheitert ist. […]