Wie "werbefrei" sind Tolino-Lesegeräte wirklich?
Als einziger Hersteller verkauft Amazon die meisten seiner eBook Reader nur gegen Aufpreis ohne Produktinformationen. Die Konkurrenz von Tolino hebt dem gegenüber gerne hervor, ihre Lesegeräte seien ab Werk werbefrei. Viele Digtial-Leser sehen das anders.
Kindle: Werbung auf Sperrbildschirm und in Menüs
10 Euro (Kindle (2014)) bis 20 Euro (Kindle Paperwhite 3) beträgt bei Amazon.de der Preisabstand für das gleiche Lesegerät mit oder ohne Spezialangebote. Wer etwa den Kindle Paperwhite 3 aktuell für 100 Euro statt 120 Euro kauft, bekommt auf dem Sperrbildschirm ganzsseitige Produktinformationen angezeigt.
Ein Tab auf die Anzeige führt zur entsprechenden Produktseite. Will man zurück ins Hauptmenü oder auf die zuletzt gelesene Buchseite, ist die An/Aus-Taste zu betätigen und dann noch einmal über den Bildschirm zu wischen – ein zusätzlicher Bedienschritt im Vergleich zum werbefreien Modell. In den Menüs gibt es dazu ganz unten einen kleinen Werbebalken. Ausführlich haben wir die Kindle-Modelle mit und ohne Spezialausführungen hier in unserem Video-Testbericht des Kindle Paperwhite 3 einander gegenüber gestellt.
Der Kindle Paperwhite 3 kostet regulär 120 Euro (im Rahmen der Cyber-Monday-Woche aktuell 100 Euro). Für den Tolino Vision 3 HD sind hingegen 160 Euro zu bezahlen – ein heftiger Preisunterschied. Auch angesichts dessen unterstreichen Tolino-Manager immer wieder, ihre Lesegeräte seien ab Werk werbefrei. Für einen fairen Vergleich müsse der Kindle Paperwhite 3 ohne Spezialangebote, sprich mit 20 Euro Aufschlag, herangezogen werden.
Deutlich über 1/3 Werbefläche bei Tolino
Tatsächlich werden Tolino-Lesern keine extern eingespielten Werbeanzeigen vorgesetzt. Promotionen gibt es aber sehr wohl, genauer gesagt "Top-Empfehlungen" auf dem Hauptbildschirm der Tolino-Geräte, die deutlich über ein Drittel der Bildschirmfläche einnehmen. Viele Tolino-Leser würden den Homescreen lieber komplett zur Anzeige ihrer Bilbiothek nutzen, vielleicht flankiert von Lesestatistiken a là Kobo und Kontexteinstellungen. Benutzerfreundlich wäre es auf jeden Fall, die Leiste optional ausblenden zu können.
Das sieht die Tolino-Software aber nicht vor. Aus gutem Grund, denn die Tolino-Allierten verdienen weniger mit der Hardware Geld als mit Buchverkäufen, die dafür – Offenheit hin oder her – aus dem hauseigenen Store erfolgen müssen. Naturgemäß wird mit hochpreisen eBooks deutlich mehr Geld verdient als mit Indie-Titeln. Ob darum (und wegen Rahmenverträgen mit Verlagen) aktuell praktisch durchweg teure Verlagstitel die "Top-Empfehlungen" sind, ist gleichwohl Spekulation.
Bei iOS, Android, PC undenkbar
Ein Blick auf andere Bildschirme zeigt, wie ungewöhnlich die Implementierung in der Tolino-Software ist, aber durchaus auch bei werbefreien Kindle-Modellen, wo die "Aktuellen Empfehlungen" nur etwas weniger Fläche einnehmen. Man stelle sich vor, auf iPhone-, iPad- oder Android-Bildschirmen würde mehr als ein Drittel der Bildschirmfläche auf dem Homescreen von Empfehlungen aus dem App Store eingenommen. Oder in Windows 10 und Mac OS bestände der komplette untere Teil des Bildschirm aus Software-Empfehlungen von Microsoft beziehungsweise Apple. Der Aufschrei wäre riesig.
Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Geräte-Anbieter zumindest eine Option zur Ausblendung der Empfehlungen implementieren könnten. Viele Digital-Leser würden es ihnen danken. Ein Beispiel könnten sich Kindle- und Tolino-Entwickler an Kobo nehmen, wo der Shop deutlich dezenter implementiert ist.
Kommentare
Wochen-End-Geplauder – [1548] | Der unfertige Roman 27. November 2015 um 09:37
[…] »werbefreien«, Kindles nicht dran hält, war zu erwarten. Doch wie sieht es bei den Tolinos aus? Lesen.net hat nachgeschaut. ### Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass Richter in Deutschland […]
TEST! Wie werbefrei sind Tolino-Lesegeräte wirklich? | OnleiheVerbundHessen 18. Dezember 2015 um 17:06
[…] Quelle: Wie “werbefrei” sind Tolino-Lesegeräte wirklich? » lesen.net […]