Amazon Fire Phone: Erste Testberichte ernüchtern
Kurz vor dem Verkaufsstart wurden die ersten Testberichte zum Amazon Fire Phone ins Netz gestellt. Das Smartphone-Debut von Amazon, für den Online-Händler von immenser strategischer Bedeutung, kann noch keine rechte Begeisterung entfachen: Eine Konkurrenz für Apple und Samsung sei es nicht, so die einhellige Meinung
Vom morgigen Donnerstag an ist das Fire Phone auf Amazon.com zu haben (ein deutscher Verkaufsstart wurde noch nicht announciert), vor ein paar Stunden fiel eine Amazon-Sperrfrist für Testberichte. Zeitgleich stellten etliche renommierte US-Nachrichtenseiten ihre lange zuvor geschriebenen Testberichte ins Netz. Das Echo fällt bemerkenswert einhellig aus: Amazon sei ein solider erster Wurf gelungen, von einem iPhone- oder Android-"Killer" sei das Gerät aber weit entfernt.
Gute Ideen bedeuten kein gutes Telefon
David Pierce, stellvertretender Chefredakteur von The Verge, fühlte sich beim Testen des Amazon Fire Phone immer wieder an den Unterschied zwischen "gute Ideen von Telefonen" und "guten Telefonen" erinnert. Im Gerät steckten zwar zweifellos eine Vielzahl intessanter Feature (angezeigt auf einem echten 3D-Panel) – die Bedienoberfläche sei aber verwirrend, das Hardware-Design langweilig und viele Apps optisch misslungen. Dass es Amazon besser könne, beweise das Unternehmen mit seinem Kindle Paperwhite – ein Gerät, das ohne Lametta perfekt für seinen Nutzungszweck zugeschnitten sei. Das erste Fire Phone erinnere mit seiner Überladenheit und vielen Experimenten an den 2007 erschienenen ersten Kindle. Für das Amazon-Smartphone vergibt Pierce unter dem Strich nur 5.9/10 Punkte.
"Besser auf den Nachfolger warten"
Für die Tech-Seite Engadget ist das Fire Phone schlicht nicht ausgereift. Der 3D-Effekt könne Übelkeit verursachen und sei fehlerhaft, ebenso wie die Alles-Einscan-und-bei-Amazon-Suchen-Funktion Firefly. Während Musik und TV-Serien im Test meist problemlos erkannt wurden, gab es auf der anderen Seite Probleme selbst beim Einscannen von ordinären Nummern. Der Amazon App Store sei außerdem längst nicht so gut befüllt wie Google Play. Schon in der Überschrift heißt es, "du solltest besser auf den Nachfolger warten" – das drückt sich auch in der Bewertung aus (70/100).
Scharfe Kritik musste sich Amazon für sein Fire Phone von der New York Times gefallen lassen. Das Gerät sei ein "no looker", es wirke eher wie ein minimalistischer Prototyp als wie ein fertiges Gerät (und das soll kein Kompliment sein). Dieser Eindruck setze sich funktional fort – die mit dynamic perspectives ansich mögliche Gesten-Bedienung sei unzuverlässig, an einigen Stellen – etwa beim Auto-Scrolling – sogar nervig (annoying). Auf der Haben-Seite steht die einfache Zugänglichkeit nebst vom Kindle Fire HDX bekannten Mayday-Button, mit dem man bei Problemen blitzschnell einen Support-Mitarbeiter ans Telefon bekommt.
Perfekt nur für Amazon-Vielkäufer
Journalisten-Legende Walt Mossberg, nach vielen Jahren beim Wallstreet Journal inzwischen mit re/code unter eigener Flagge unterwegs, ging vergleichsweise gnädig mit dem Fire Phone ins Gericht. Zwar bemängelte auch er das vergleichsweise dünne Sortiment im Amazon App Store (nur 20 Prozent des Angebotes bei Apple und Android), die WLAN-Verbindungsgeschwindigkeit brach im Test schon bei geringem Abstand zum Router dramatisch ein und er vermisste Feature wie Video-Telefonie, einen Fingerprint-Sensor eine kostenlose Editiermöglichkeit für Office-Dokumente. Wer sich aber ohnehin viel im Amazon-Ökosystem bewege, für den sei das Fire Phone ein perfektes Gerät.
Produktqualität noch nicht auf Konkurrenz-Niveau
Unter dem Strich steht Ernüchterung: Trotz sechs verbauter Kameras und einer Vielzahl spannender Ideen sei das Fire Phone zwar innovativ, aber kein (vielfach erhoffter und erwarteter) "Game Changer" auf dem extrem wettbewerbsintensiven Smartphone-Markt. Bei den Verkaufspreisen ist Amazon bereits auf Samsung- und Apple-Niveau (ohne Vertrag kostet das Gerät 650 US-Dollar), bei der Produktqualität aber noch nicht. Damit wird es für Amazon schwer, seine sinkenden Marktanteile im Tablet-Bereich mit Smartphone-Verkäufen kompensieren. Wenn sich das Fire Phone nicht wie erhofft verkauft, werden die ersten Preisaktionen sicherlich nicht lange auf sich warten lassen.
Kommentare
Amazon-Verluste schockieren Anleger » lesen.net 25. Juli 2014 um 10:46
[…] Grund der Verluste ging just am gestrigen Donnerstag in den Verkauf (sicherlich kein Zufall): Das Fire Phone, das erste Smartphone des Unternehmen, war mit beträchtlichen Investitionen verbunden. Auch im […]
20 Jahre Amazon auf einen Blick [Infografik] » lesen.net 28. Juli 2014 um 14:47
[…] im Trubel um enttäuschende Quartalszahlen, ernüchternde Testberichte zum Fire Phone und Konditionenstreitigkeiten begeht Amazon ein rundes Jubiläum. Im Juli 1994, also in […]
Amazon Fire Phone exklusiv bei Tolino-Partner Telekom » lesen.net 8. September 2014 um 21:40
[…] Sale”, wie es The Verge doppeldeutig treffend formulierte) sind schnell genannt: Erstens kam das Gerät bei professionellen Testern schlecht an, zweitens sollen die bisherigen Verkaufszahlen ernüchternd sein, drittens sind auch […]
Amazon Fire Phone in Deutschland verbilligt, in den USA verramscht » lesen.net 28. November 2014 um 13:08
[…] erste Smartphone von Amazon startete in diesem Sommer mit großen Erwartungen, schon in den ersten Testberichten entpuppte sich das Fire Phone aber als unfertiger erster Wurf. Nachdem sich früh […]
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Amazon Echo ernüchtert in erstem Test » lesen.net 21. Januar 2015 um 13:18
[…] Konzept, aber noch nicht ausgereift – exakt das gleiche Fazit stand auch unter vielen Testberichten des Amazon Fire Phone. Nutzer sahen es ähnlich und griffen kaum zum ersten Smartphone von […]