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Verlage und Autoren sträuben sich gegen öffentlichen E-Book-Verleih

Der Dachverband der deutschen Bibliotheken kritisiert massive Einschränkungen beim Ausbau des eigenen E-Book-Verleihs und proklamiert in einer neuen Kampagne "The Right to E-Read". Der Gegenwind ließ nicht lange auf sich warten: Die Verlage sehen in den Forderungen eine Gefahr für neue Geschäftsmodelle, und ein Autorenverband findet sie gar "enttäuschend" und "irreführend".

Am heutigen Dienstag fiel in der Landesbibliothek Berlin der Deutschland-Start der euroweiten Kampagne The Right to E-Read, über die wir schon im vergangenen Dezember berichteten. Anlass ist der am morgigen Mittwoch begangene Welttag des Buches, der auch gleichzeitig der Welttag des Urheberrechtes ist.

Forderung: Gleichstellung von Print und Digital

Wesentliche Forderung der Bibliotheken ist eine rechtliche Gleichstellung von digitaler und gedruckter Literatur. Denn während Bibliotheken Printbücher nach eigenem Ermessen anschaffen können und Urheber pro Leihe vergüten, sind bei eBooks Lizenzverträge mit den Verlagen abzuschließen.

Auf Wunsch kann ein Verlag seine Digital-Titel den Bibliotheken also nicht oder nur in sehr geringer Zahl (denn auch jedes eBook kann nur einmal gleichzeitig verliehen werden) bereitstellen. Ein Blick auf das Angebot der lokalen Onleihen offenbart dann auch viele Lücken in den Sortimenten und bei aktuellen Titeln Reservierungszeiten von nicht selten mehreren Monaten.

"Irreführend, enttäuschend und wenig zielführend"

Von Verlagsseite bekommt der öffentliche Vorstoß des Bibliotheksverbandes wenig Beifall. Vielmehr heißt es in einem Positionspapier der im Branchenverband Börsenverein organisierten Verlage unter dem Titel "Lizenzen statt Regulierung", die bisherige Lizensierungspraxis habe sich bewehrt und sollte beibehalten werden. Ein uneingeschränktes Nutzungsrecht von eBooks für Bibliotheken "hätte gravierende Konsequenzen für Urheber, Verleger und die gesamte Literaturversorgung", warnen die Verleger. Außerdem würde es entstehende "nachhaltige E-Book-Geschäftsmodelle" torpedieren.

Der Verband deutscher Schriftsteller der Gewerkschaft ver.di geht noch einen Schritt weiter, er sieht in der Kampagne eine Bedrohung fürs Urheberrecht. Verbandschef Imre Török wettert in einer am heutigen Dienstag publizierten Pressemitteilung, die Kampagne sei "irreführend, enttäuschend und wenig zielführend", weil sie behaupte, das geltende Urheberrecht würde dem Auftrag der Bildungsversorgung im Weg stehen. So ganz scheint Török den Sachverhalt gleichwohl nicht verstanden zu haben, denn weiter oben in der gleichen Pressemitteilung heißt es, "es macht für Autorinnen und Autoren dabei keinen Unterschied, ob ihr Werk in gedruckter Form oder als e-Book gelesen wird, ob es gekauft oder in Bibliotheken ausgeliehen wurde". Genau eine solche rechtliche Gleichstellung fordern die Bibliotheken ja, sie ist nach aktueller Rechtslage aber nicht gegeben.

Beide Seiten mit guten Argumenten

Letztlich sind aber die Argumente beider Seiten nachvollziehbar. Wenn über öffentliche Bibliotheken mit ihren Jahresbeiträgen von teilweise nur 10-20 Euro ein ähnliches Angebot verfügbar ist wie bei kommerziellen Diensten wie Skoobe, wo diese Kosten pro Monat anfallen, haben private Anbieter natürlich keine Perspektive. Zum jetzigen Zeitpunkt wirkt der Verweis gleichwohl etwas vorgeschoben, immerhin machen viele Verlage derzeit noch einen großen Bogen um solche Abo-Modelle (weil sie eine Kannibalisierung ihrer noch lukrativeren Verkäufe befürchten).

Andererseits haben Bibliotheken naturgemäß den Anspruch, ihren Nutzern ein vollständiges und aktuelles Angebot bereitzustellen. Im Digital-Bereich werden sie diesem Anspruch derzeit nicht gerecht, auch wenn das seitens der Verlagslobby bestritten wird – dass überhaupt eine solche Kampagne ins Leben gerufen wird, ist Beweis genug für einen ungenügenden Status Quot. Mit dem Gegenwind aus dem politisch mächtigen Börsenverein ist aber unwahrscheinlich, dass "The Right to E-Read" über Verbraucheraufklärung hinaus einen Effekt haben wird.

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Kommentare


Zur Diskussion um den Verleih von E-Books | bikMAG 28. April 2014 um 23:01

[…] 22.4.2014 veröffentlichte Johannes Haupt auf seiner Seite lesen.net einen guten Überblick über den derzeitigen Stand der […]

Antworten

Onleihe und Skoobe erweitern englischsprachiges Sortiment » lesen.net 5. Juni 2014 um 21:23

[…] Deutlich günstiger ist die Onleihe: Was bei Skoobe im Monat zu bezahlen ist, fällt bei den beteiligten Bibliotheken häufig als Jahresgebühr an. Dafür sind gerade populäre Titel häufig vergriffen oder gar nicht verfügbar, weil viele Verlage keine Leihlizenzen herausrücken – die Bibliotheken fahren dagegen eine Kampagne, die innerhalb der Branche für viel Gegenwind sorgt. […]

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E-Book-Leihe Skoobe stellt Katalog ins Netz » lesen.net 15. Juli 2014 um 11:28

[…] von den öffentlichen Bibliotheken, die allerdings an Lizenzmangel leiden, hat Skoobe zweifellos das vorzeigbarste E-Book-Sortiment unter den Leihdiensten. Das dürfte […]

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Wie E-Book-Flatrates verändern, wie wir Bücher entdecken » lesen.net 20. August 2014 um 11:43

[…] auszuprobieren und öffnen auf diese Weise die Lesegewohnheiten in die Breite. Auch wenn die Gefahr der Kannibalisierung besteht, können Flatrate-Modelle so zu einem wichtigen Marketing-Instrument werden und […]

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E-Book-Verleih Onleihe bekommt Kaufen-Option » lesen.net 18. September 2014 um 09:01

[…] ein Dorn im Auge (genauso wie vielen Autoren und Verlagen, die sich gegen mehr Leih-Lizenzen sträuben), weil ein ausgeliehenes E-Book eher nicht mehr gekauft wird. Und mit der Integration von […]

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