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Startup unglue.it: Vom Buchbefreier zum Buchverkäufer

eBooks sofort kaufen, damit sie schneller kostenlos verfügbar sind – das ist das neue Geschäftsmodell, das unglue.it jetzt ausprobiert.  Kann die "Buy-to-unglue"-Methode endlich den erhofften Erfolg für die "Befreiungsplattform" für Literatur bringen?

Überschaubar: Die Liste der bisher "befreiten" Bücher.

Überschaubar: Die Liste der bisher "befreiten" Bücher.

Vor fast zwei Jahren ging unglue.it ans Netz, mit der Idee, Bücher durch Crowdfunding freizukaufen. Rechteinhaber können einen Betrag für ein Buch festsetzen, der von interessierten Nutzern aufgebracht werden muss. Ist die Summe erreicht, wird eine kostenlose und DRM-freie eBook-Ausgabe des Titels unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht. Kommen nicht genügend Interessenten zusammen, fließt kein Geld und alles bleibt, wie es ist. So sympathisch die Idee klingt, so überschaubar war bisher der Erfolg: In den vergangenen 20 Monaten wurden ganze sieben Titel auf diese Weise der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Darum bietet die Plattform nun neben der bisherigen Methode auch ein neues Modell namens "Buy-to-unglue" an. Dieses funktioniert zunächst einmal wie ein normaler eBook-Kauf: Der Kunde zahlt und bekommt dafür eine DRM-freie epub-Datei. Es gibt jedoch einen Bonus. Je mehr Exemplare verkauft werden, desto früher wird das eBook unter einer kostenlosen Lizenz verfügbar gemacht. Der erste Titel, der unter dem neuen Modell veröffentlicht wurde, ist die Science-Fiction-Anthologie "Lagos__2060".

Altes Modell setzte auf Idealismus

Das Geschäftsmodell von unglue.it hatte von Beginn an das Problem, dass es den Nutzern mehr Idealismus abverlangte als die typische Kickstarter-Kampagne. Beim normalen Crowdfunding zahlt man, damit ein Produkt auf den Markt kommt, dass es noch nicht gibt. Die meisten Bücher, die man bisher bei unglue.it befreien konnte, sind hingegen bereits anderswo als eBooks oder zumindest gedruckt erhältlich. Nur eben nicht als DRM-freie Dateien oder unter Creative Commons-Lizenz. Während ich beim Kickstarter-Projekt also mein eigenes Wohl im Blick habe ("ich will das haben"), steht bei unglue.it das Gemeinwohl im Mittelpunkt: "Ich könnte das jetzt haben, aber wenn ich statt dessen hier mitmache, lange genug warte und genügend andere zusammenkommen, können es durch unseren Kauf später viele andere Menschen kostenlos in einem Format ihrer Wahl lesen." Das ist zwar ein lobenswerter Gedankengang, aber viel komplizierter und ein deutlich schwächerer Motivator.

Unglue.it als alternativer Buchhändler

Nigerianische Science Fiction ist kein Massenmarkt – aber vielleicht liegt genau darin die Chance.

Nigerianische Science Fiction ist kein Massenmarkt – aber vielleicht liegt genau darin die Chance.

Das neue Modell steuert hier nun gegen, indem es das Sofort-Haben-Wollen befriedigt. Das eigene Exemplar kann direkt nach dem Bezahlen heruntergeladen werden, die positive Wirkung für die Allgemeinheit ist nur ein angenehmer Nebeneffekt. Das dürfte den Anreiz zum Mitmachen deutlich erhöhen. Allerdings wird die Plattform es in absehbarer Zeit wohl dennoch schwer haben, wirklich populäre Titel ins Angebot zu nehmen. Der Markt für digitales Lesen wird immer wichtiger, und solange ein Buch sich gut verkauft, werden große Verlage keine Kampagne für eine kostenlose eBook-Ausgabe in Betracht ziehen. Unglue.it wird sich also auch mit dem neuen Modell  bis auf Weiteres auf Nischentitel beschränken müssen. Das hat seine Nachteile, denn eine Science-Fiction-Anthologie  von kaum bekannten nigerianischen Autoren dürfte weit weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen als ein Roman von Dan Brown oder Stephen King. Das zeigen auch die Verkaufszahlen: "Lagos_2o6o" wurde aktuell erst sechsmal gekauft und würde an Heiligabend 2059 unter die CC-Lizenz fallen. Falls unglue.it es aber schafft, Kunden für sein neues Angebot zu interessieren, kann die Nische auch eine Chance sein. Wenn genügend kleine Verlage Interesse an dem Experiment zeigen, gibt das der  Plattform die Möglichkeit, sich neu zu erfinden. Als digitale Version des kleinen, alternativen Buchladens um die Ecke, in dem  all die spannenden Dinge ausliegen, die es nicht in die standardisierten Regale der großen Ketten schaffen. Dass man mit jedem Kauf dann auch noch die Welt des digitalen Lesens ein bisschen besser macht, das wäre dann nur noch das Sahnehäubchen.

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