Studie: Wer eBooks leiht, kauft weniger
Gegenwind für Onleihe & Co: Eine neue britische Pilotstudie besagt, dass es zu erheblichen Kannibalisierungseffekten zwischen dem Verleih und dem Verkauf von eBooks kommen kann. Öffentliche Bibliotheken sollen darum an der kurzen Leine belassen werden.
Seit Monaten trommeln Bibliothekare europaweit fürs "right to e-read". Sie beklagen das häufig dünne und veraltete Angebot an entleihbaren Titeln. Einige Verlage (unter anderem die gesamte Holtzbrinck-Gruppe mit Knaur, Rowohlt und anderen) verwehren sich der Onleihe sogar komplett. Anders als im Print-Bereich haben es Verlage in Sachen eBooks derzeit selbst in der Hand, zu welchen Preisen, in welchem Umfang – und ob überhaupt – sie den Bibliotheken Leihexemplare bereitstellen.
Angst vor Kannibalisierung
Verlage pochen auf eine faire Vergütung (1 Euro pro Onleihe), weil perspektivisch von großen Umsätzen durch Leihmodelle auszugehen sei. In Gesprächen schwingt auch immer die Angst vor einer Kannibalisierung mit: Wer eBooks leiht, kauft seltener – insbesondere, wenn die Verleiher attraktive aktuelle Titel vorrätig haben.
Knapp 900 entleihbare Top-Titel für Pilotstudie
Um diese Vermutungen mit Datenmaterial zu unterfüttern, hat die britische Buchhandelsvereinigung jetzt eine Pilotstudie durchführen lassen. Zeitlich begrenzt wurde das in vier britischen Bibliotheken noch sehr überschaubare Angebot auf rund 900 Top-Titel aufgestockt, darunter 150 aktuelle Bestseller. Nutzer des Angebotes wurden im die Beantwortung einiger Fragen gebeten.
Soziodemographisch waren die Digital-Leiher durchschnittlich älter (68 Prozent über 45) als typische Bibliotheksbesucher (47 Prozent über 45). 31 Prozent der entliehenen eBooks wurden auf Smartphones heruntergeladen und vermutlich dort auch gelesen.
Nutzer der britischen Onleihe äußerten sich erfreut über das neue vergrößerte Angebot (74 Prozent: "Eine tolle neue Entwicklung); 95 Prozent würde eine größere Auswahl allerdings zu noch mehr Leihen verführen. Auf 10 Prozent der Titel entfielen 36 Prozent der Entleihvorgänge, Bestseller waren also tatsächlich besonders gefragt.
Onleihe-Nutzer wollen weniger eBooks kaufen
Jeweils knapp 40 Prozent der Digital-Leiher gaben an, angesichts des Angebotes künftig seltener Buchhandlungen aufzusuchen und Print-Bücher zu kaufen. Knackpunkt ist aber die Antworten auf eine andere Frage: 31 Prozent der Befragten gaben an, dank Onleihe künftig weniger eBooks kaufen zu wollen. Weitere 31 Prozent erklärten, das Angebot der Onleihe habe keinen Einfluss auf ihr Kaufverhalten, und nur knapp 20 Prozent wollten aufgrund des Leihangebotes mehr kaufen als zuvor (der Rest kaufte ohnehin nicht).
Tim Godfray, Chef der britischen Buchhandelsvereinigung, erklärte im Bezug auf genau diese Zahlen: "Die Studie unterstreicht die ernsthaften Konsequenzen, die der Verleih von eBooks auf unsere Buchhandlungen und auf die Besucherzahl von Bibliotheken haben wird. Wenn öffentliche Bibliotheken so unkontrolliert so viele eBooks ausleihen können wie sie wollen, würden viele kommerzielle Aspekte des Buchhandels geschädigt. Es braucht ein faires System, das Aufsicht und Kontrolle beim öffentlichen eBook-Verleih gewährleistet.
Verlage haben eigene Interessen
Die Zahlen überraschen wenig, sind aber natürlich Wasser auf die Mühlen auch deutscher Verleger und deren Lobbyisten, die große Vorbehalte gegen einen unregulierten öffentlichen eBook-Verleih haben. Auch, weil sie – im Falle von Bertelsmann und Holtzbrinck mit der eBook-Plattform Skoobe (30 Tage kostenlos testen) oder Bastei Lübbe mit Beam – nicht selten an eigenen kommerziellen Leih-Modellen arbeiten.
<Bildnachweis: Library von Shutterstock>
Kommentare
“Right-to-e-read” | OnleiheVerbundHessen 4. Juli 2015 um 17:06
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