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Selfpublishing: Alles andere als ein Notnagel [Kolumne]

Selfpublishing als Notlösung für von Verlagen abgelehnte Autoren, die sich heimlich aber immer noch nach einem Kontrakt mit einem renommierten Verlag sehnen? Dachte Indie- (und neuerdings Rowohlt-)Autorin Poppy J. Anderson vor zwei Jahren auch noch.

Mal Butter bei die Fische! Welcher Autor hat nicht schon einmal davon geträumt, ein tolles Verlagsangebot zu bekommen, sein Buch in den Auslagen großer Buchhandelsketten zu sehen und in der Spiegel-Bestsellerliste zu erscheinen? Ganz vermessen würde ich vermuten, dass jedes Mitglied der schreibenden Zunft von einem derartigen Bestseller träumt. Darin unterscheiden sich nicht einmal Verlagsautoren von Indie-Autoren.

Beide möchten Erfolg haben, wie auch immer dieser für jeden persönlich aussieht. Manche messen ihn an Verkaufszahlen und andere an besonders positiven Rezensionen. Wo also liegt der oft thematisierte Unterschied zwischen Selfpublishern und Verlagsautoren?

Sammelbecken der Gescheiterten?

Als ich im Oktober 2012 zum ersten Mal den Begriff Selfpublishing hörte und erfuhr, worum es dabei ging, schoss mir sofort durch den Kopf, dass diese Art des Publizierens eine Notlösung für all die desillusionierten Autoren war, die keinen Verlag gefunden hatten und dennoch das Bedürfnis verspürten, Leser mit ihren Geschichten zu beglücken.

Als absoluter Laie, der bis dahin keinerlei Ambitionen gezeigt hatte, die eigenen Texte einem Verlag zu zeigen, und der sich mit dem Literaturbetrieb lediglich als Konsument beschäftigt hatte, ging ich davon aus, dass jeder Selfpublisher nur darauf wartete, von einem Verlag entdeckt zu werden, und den Eigenverlag mit Freuden an den Nagel hängen würde, wenn er dafür im Gegenzug ein Verlagsangebot erhalten hätte.

In meiner Naivität glaubte ich eines zu wissen: Selfpublishing war ein Lückenbüßer – das Stiefkind des Literaturbetriebes. Dass ich einem Irrtum erlegen war, fand ich nach und nach heraus.

Keine Anerkennung ohne Verlagslogo

Vor allem in der Anfangszeit hatte ich das Gefühl, erst dann als Autorin anerkannt zu werden, wenn ein Verlagslogo auf meinen Covern prangte. Vermutlich hatte dies auch damit zu tun, dass es für Selfpublisher einfach schwieriger bis unmöglich war, gewisse Plattformen zu nutzen oder sich auf wichtigen Veranstaltungen offiziell zu präsentieren. Es schien egal zu sein, welche Verkaufszahlen man vorzuweisen hatte oder welche Plätze man in diversen Rankings einnahm – allein die Zugehörigkeit zu einem Verlag zählte. Die Buchbranche wollte allem Anschein nach unter sich bleiben und Selfpublishing am liebsten ignorieren.

Neuer Stellenwert durch Professionalisierung

Mittlerweile besitzen Indie-Autoren jedoch einen völlig anderen Stellenwert und können nicht so einfach ignoriert werden, was sicherlich auch mit der zunehmenden Professionalisierung der Branche zusammenhängt. Selbstgemalte Cover, auf denen skurrile Figuren abgebildet sind, gehören der Vergangenheit an. Tatsächlich sind Bücher ambitionierter Selfpublisher von Verlagsbüchern kaum noch zu unterscheiden – auch was den Inhalt betrifft. Um den Lesern ein qualitativ hochwertiges Buch zu bieten, bemühen sich Selfpublisher um Lektoren und Korrektoren, engagieren Coverdesigner und lassen ihre Bücher setzen.

Selfpublisher sind freier, …

Poppy-J.-Anderson-Titel: Digital Selfpublishing, ...

Anderson-Titel: Digital Eigenverlag, …

Aber was ist denn nun genau der Unterschied zwischen einem Verlagsautoren und einem sogenannten Indie? Der Vorteil des Selfpublishings liegt vor allem darin, dass der Autor die völlige Entscheidungsgewalt besitzt. Er muss sich nicht danach richten, ob sein Werk in ein bestimmtes Verlagsprogramm passt, ob es nach gewissen Vorstellungen geändert werden muss oder wann es erscheinen soll. Er kann zudem den Preis so festsetzen, wie er möchte, Rabattaktionen ins Leben rufen und seine Leser in den Schaffensprozess eines Buches integrieren, ohne vorher Rücksprache zu seinem Verlag zu halten. Möchte er spontan sein Cover ändern, kann er es tun, schließlich ist er niemandem Rechenschaft schuldig.

… aber Verlage erlauben Fokussierung aufs Schreiben

...gedruckt bei Rowohlt

…gedruckt bei Rowohlt

So verlockend dies klingen mag, bedeutet die uneingeschränkte Verfügungsgewalt gleichzeitig auch, dass der Selfpublisher nicht nur den Schreibprozess allein bewältigen muss, sondern auch die volle Verantwortung für das Erscheinen, die Vermarktung und alle anderen Fragen rund um das Buch besitzt. Mit dem Schreiben an sich ist es noch lange nicht getan. Internetauftritte, Werbung, Gewinnspiele, der Leserkontakt, Ankündigungen zu neuen Büchern, Organisationen für Messen und weitere bürokratische Verpflichtungen müssen ebenfalls gemeistert werden. Er kann auf keine Ressourcen zurückgreifen, die ihm eventuell durch einen Verlag zur Verfügung stehen könnten, und muss sich allein auf sein Gefühl verlassen. Wer der Meinung ist, dass die Arbeit eines Selfpublishers allein darin besteht, fröhlich vor sich hin an dem nächsten Buch zu schreiben, ist leider auf dem Holzweg.

Hier kann der große Nachteil des Selfpublishings liegen: Der Autor ist nämlich nicht nur Autor und kann seine Arbeitsleistung auf das Schreiben fokussieren, sondern benötigt meines Erachtens nach mindestens den gleichen Zeitaufwand für das bürokratische Drumherum, das ansonsten der Verlag übernehmen würde.

Dies ist nämlich der absolute Vorteil eines Verlages. Er ist nicht nur in der Lage, das Buch im klassischen Buchhandel zu platzieren und die Werbetrommel zu rühren, sondern übernimmt die Arbeit, die dem Autor meistens lästig erscheint. Außerdem übernimmt er das Risiko, falls sich das betreffende Buch als absoluter Flop herausstellen sollte.

Verlage bleiben interessant für Indie-Autoren

Ist Selfpublishing denn nun das Stiefkind des Literaturbetriebes? Ganz sicher nicht! Selfpublishing erfordert sehr viel mehr als allein den Spaß am Schreiben, sondern setzt harte Arbeit, Ehrgeiz und das Bewusstsein, für alles allein verantwortlich zu sein, voraus. Außerdem feiern Selfpublisher große Erfolge und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Sie sind unabhängig und können auch ohne einen Verlag im Rücken existieren.

Ist das Verlagswesen überhaupt noch interessant für Selfpublisher? Ganz sicher! Selfpublisher möchten ebenso wie Verlagsautoren gelesen werden. Ein Verlagsangebot sichert zwar keinen Bestseller oder eine besondere Sichtbarkeit im Buchhandel, ermöglicht jedoch Chancen, die einem Selfpublisher allein verwehrt bleiben. Außerdem ist es nun einmal ein großartiges Gefühl, das eigene Buch mit Verlagslogo auf dem Cover irgendwo in einer Buchhandlung zu entdecken.

B_000006Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich über 800.000 Mal verkauft.

<Bildnachweis: Autor von Shutterstock>

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Kommentare


Wie Leser bei Buchprojekten involviert werden » lesen.net 16. Februar 2015 um 15:40

[…] Ein erster Eindruck des Selfpublishings, den auch die Autorin Poppy J. Anderson formuliert, ist nicht selten, dass hier Autoren, die keinen Verlag für ihre Bücher finden können, eine Möglichkeit bekommen zu publizieren. Mittlerweile ist aber auch bekannt, dass viele Autoren sich bewusst gegen das Publizieren in einem Verlag entscheiden. So können sie die völlige Entscheidungsgewalt über das eigene Werk behalten. […]

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