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Verleger: DRM "böse", Preisbindung "schlimmer"

adobe_logoRestriktive und komplizierte Kopierschutzmechanismen – kurz DRM – sowie hohe eBook-Preise sind die Geißeln der digitalen Lesergemeinschaft, gelten gleichzeitig als Hauptgründe für die nur langsame Entwicklung des hiesigen eBook-Marktes. Während Kritik daran von Lesefreunden als direkt Leidtragende an der Tagesordnung ist, hüllen sich die Verlage gemeinhin in Schweigen beziehungsweise führen – wie Rowohlt –  auch schon einmal "strategische Gründe" fürs gehobene Pricing der eigenen Digital-Titel an. In ungewöhnlich deutlicher Form übte nun allerdings auch ein deutscher Verleger Kritik am Status Quo.

Ralph Möllers, Kopf des auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisierten Terzio-Verlags, holte vergangene Woche im Rahmen einer Ringvorlesung der Uni Leipzig zum verbalen Rundumschlag gegen seine Branchenkollegen aus. "DRM ist böse, DRM wird euer Untergang sein", rief Möllers in seinem via Livestream ins Internet übertragenen Vortrag den Verlagshäusern zu. DRM funktioniere nicht und mache etwas "ganz fatales", was die Content-Provider auch wissen würden: "Es bestraft nur diejenigen, die ehrlich einen Inhalt erwerben wollen."

newkindle2Irgendwann seien eBooks laut Möllers nur noch illegal benutzbar, weil die komplizierte Verschlüsselung wenig technikaffine Lesefreunde schlicht überfordere. An dieser Stelle muss man allerdings ein wenig differenzieren: Kopierschutz ist nicht gleich Kopierschutz, entscheidend ist die Implementierung. Während das hierzulande gebräuchliche Adobe DRM in der Regel eine funktionale Katastrophe ist, sieht sich Amazon mit seiner weit verzweigten Kindle-Universiums (Kindle Lesegeräte, Apps für iPhone/iPod Touch, Mac, iPad, PC, Blackberry und Android-Devices) trotz ähnlich restriktivem Kopierschutz kaum mit Kritik konfrontiert.

Die Vorteile des Plattform-Konzepts wie automatische Übertragung und Synchronisation zwischen verschiedenen Endgeräten überwiegen hier für viele Nutzer die funktionalen Einschränkungen. Auch Apple hat das DRM im iOS App Store offenbar kaum geschadet. Recht hat der Verleger aber sicherlich mit seiner Kritik daran, dass eBook-Käufer zum (hierzulande aktuell häufig noch) Print-Preis nicht das Eigentum am Produkt, sondern nur eine mal mehr, mal weniger eingeschränkte Nutzungslizenz am Titel erwerben – Amazons "1984-Affäre" deutete bereits an, was für Folgen das so geschaffene dauerhafte Abhängigkeitsverhältnis zwischen Leser und Anbieter haben kann.

An der Preisbindung für eBooks ließ der Terzio-Verleger kein gutes Haar, insbesondere der Börsenverein als verantwortliche Institution sah sich  launigen Angriffen ausgesetzt. Der Lobbyverband – beschrieben als "Paralleluniversium neben der Verlags- und Kundenwelt, in dem völlig absurden mathematische Gleichungen gültig sind" – fungiere mit der Preisbindung als Bremsklotz für den eBook-Markt.

Die Kritik greift freilich ein wenig kurz: Die Preisbindung koppelt eBooks nicht etwa an die Print-Preise, sondern schreibt "nur"eine einheitliche Bepreisung von eBooks untereinander vor – Print- und eBook-Pricing dürfen durchaus differieren. Untersagt sind allerdings Bündelungen ebenso wie verschiedene Preise für verschiedene Formate, was im Print-Bereich erlaubt ist (Hardcover, Paperback).

Hauptverantwortlich für die hohen eBook-Preise ist demnach nicht der Börsenverein, sondern die Verlage. Die Auflösung der Preisbindung würde Händlern allerdings mehr marktwirtschaftliche Flexibilität gewähren und einen Wettbewerb entfachen, von dem Lesefreunde wohl nur profitieren könnten. In Ländern ohne Buchpreisbindung wie USA und UK setzten einige Verlage allerdings zuletzt auf eigene Faust recht hohe Einheitspreise durch – einen Automatismus "Keine Preisbindung = niedrige Preise" gibt es also nicht.

Der komplette Vortrag von Ralph Möllers lässt sich als Aufzeichnung hier betrachten. Thematisch geht es 1:20h lang allerdings eher um die Zukunft der Verlage im Social Web, digitale Literatur spielt nur eine Nebenrolle.

<via Leander Wattig>

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Kommentare


immanuel 3. November 2010 um 16:46

Ich sehe das Problem für die langsame Marktentwicklung eher woanders als bei DRM und den Preisen. Bei den letzten 10 Bücher, für die ich mich interessiert habe, führte bei 9 eine google-Suche nach dem ebook zu 50% Treffer von Onlineshops für Papierbücher (wo keine ebook-Variante angeboten wurde aber ein Alibi-ebook-Link irgendwo auf der Website steht) und 50% zu illegalen Angeboten. Als e-Book kaufen konnte ich nur eines der Bücher für das ich mich interessierte – im Bundle mit 2 anderen Büchern die mich nicht interessierten und deutlich teurer als die Papierausgabe. Tja.

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FomerMay 3. November 2010 um 17:11

Hier sollte man vielleicht auch nochmal Bastei Lübbe lobend hervorheben die, zumindest bei einem eBook-Shop, vom hartem Adobe-DRM abgekommen sind und auch Bücher mit einem sichtbaren (evtl. auch unsichtbaren) Wasserzeichen versehen! Ich hoffe das andere Verlage diesem Beispiel folgen werden.

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Horst 3. November 2010 um 17:38

Auch div. Fachverlage wie O’Reilly und Packt Publishing haben hier Lob verdient, da sie seit langem ihre e-Books in verschiedenen Formaten und durchwegs ohne DRM verkaufen.

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netzleben 3. November 2010 um 17:46

Während die Kritik am DRM uneingeschränkt richtig ist – die funktionalen Vorzüge bei Apple/Kindle wären auch ohne DRM möglich – wäre ich bei der Kritik an der Buchpreisbindung – die hier bestimmt nur wiedergegeben ist – vorsichtig.

Vor allem Bündelungen – zwischen Print und eBook – wären sicher für viele Nutzer/Leser ein echter Mehrwert. (falls diese Art von Bündelung gemeint ist).

Das Ermöglichen einer sauberen Mischkalkulation für die Verleger ist allerdings sicher ein echter Vorteil – wer immer nur Grisham & Follet liest wird davon sicher nichts merken – aber gerade bei der Spezialisierung, dem "Long-Tail" sind die Preise in USA/UK bedeutend höher. Man kaufe z.B. mal ein fachbuch – ich habe schon in meinem Bereich Fachbücher gesehen, bei denen die detusche Übersetzung weniger als halb so teuer war, wie das amerikanische Original (das weit über 100€ kostete). Sicherlich ein Vorteil der Buchpreisbindung, der gerne übersehen wird.
Allerdings würde sich dies sicher wieder im ebook Bereich relativieren, da die Produktiosnkosten bedeutend niederiger sind als im Printbereich.

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harlekin 4. November 2010 um 00:21

Preisbindung bei Fachliteratur als "Long-Tail" Vorteil für den Endkunden? Lern deine Metaphern.

Den "Vorteil" "übersehe" ich gerne.

Longtail ist und war nie Charity.

Die Bundle Idee ist aus beiden Blickwinkeln verfehlt. Die eine Seite will kaum Einstiegsanreize bieten, für die andere Seite ist ein Papierbuch totes Gewicht.

Bundle ist die Ausrede nicht auf digital Distribution umzusteigen. Aber schön im Kommentar verpackt, dass muss man so stehen lassen.

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Alaska 4. November 2010 um 00:29

Johannes schreibt: "Auch Apple hat das DRM im iOS App Store offenbar kaum geschadet." Ich habe, bezogen auf eBooks Zweifel an dieser Aussage. Welcher Vielleser zum Beispiel kauft sich ein ePub bei iTunes? Gäbe es die Bücher ohne DRM wäre der Weg über iTunes für viele bequemer als bei Libri & Co, aber da sich die Bücher nur auf dem iPad oder auf Touch/iPhones lesen lassen, die sich nicht wirklich zum Lesen eignen, schadet sich Apple als Verkäufer von Inhalten mit dem DRM selbst. Mehr als früher bei der Musik, der iPod war ja fast der Standard-Musikplayer. Solch eine Stellung wird Apple mit LEDs bei eBooks nicht einmal annähernd erreichen können.

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mczarnetzki 4. November 2010 um 09:48

Zu der Bemerkung "Untersagt sind allerdings Bündelungen ebenso wie verschiedene Preise für verschiedene Formate, was im Print-Bereich erlaubt ist (Hardcover, Paperback)." eine Frage:

Gibt es im Gesetz irgendeinen Anhaltspunkt dafür, beziehungsweise Urteile, die diese Position stärken?

Oder handelt es sich bei dieser Feststellung um die Bewertung von Prof. Russ – der als Geschäftsführer Bundesverbandes der Deutschen Versandbuchhändler schreibt?

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Peter Hellinger 4. November 2010 um 10:55

Zu "Amazon und kaum Kritik": Als Besitzer eines Kindle3 sehe ich da allerdings Probleme. Zwar kann ich alles auf allen gängigen Plattformen lesen, aber wenn ich mal beschließen sollte, den Kindle gegen ein Apfel-, Fenster- und Roboterfreies Lesegerät einzutauschen, kann ich meine Bibliothek in die Tonne kloppen, den Amazon wird mir kaum die Bücher in ePub wandeln. Auch nervig ist, dass der Kindle kein epub unterstützt und man vorher alles in Mobi (sofern DRM-frei) wandeln muss oder eben auf den zumindest für Deutsche arg mageren Amazon ebook store angewiesen ist.

Zum Thema "Angebot" auf Seite der Verleger: Da ich selbst als Micro-Verleger agiere, kann ich nur auf die Situation der Rechte hinweisen. Meine beiden letzten Produktionen (Gedichtband, Anthologie) würde ich gerne als eBook anbieten, kann dies aber nicht, da eine Autorin (in beiden Büchern vertreten) sich dem strikt verweigert. Dei Konsequenz: Ich werde künftig keine Autoren mehr verlegen, die mir nicht auch die eBook-Rechte abtreten.

Was ich als Verleger gerne tun würde wäre das "Bündeln", also wer die teure Hardcover-Ausgabe kauft, kriegt das eBook oben drauf oder gegen geringen Aufpreis. Leider darf man das nicht (Wobei ich eine Idee für ein Schlupfloch hätte). Warum man allerdings für ein ebook in epub, mobi oder Amazon-format unterschiedliche Preise ansetzen können sollte (analog zu Hardcover/Softcover) erschließt mir nicht ganz.

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freepanthera 4. November 2010 um 11:14

Normalerweise müsste man das Recht haben wenn man das Printbuch erwirbt auch Kostenlos das Buch lesen kann im Internet oder die Möglichkeit haben es zu Downloaden.
Den grad bei Umfassenden Büchern die zum Teil 1440 Seiten haben, kannst versuchen schnell Nachzuschlagen.
Und solche Bücher habe ich Hauptsächlich in der Sammlung.
Mehrkosten verstehe ich nicht, den das Buch geht als PDF in den Druck.

Dazu kommt die Frechheit das in der Schweiz ein Umrechnungskurs von 1,56 zahlen muss obwohl er bei 1,33 ca. liegt.

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Großer Hirsch 4. November 2010 um 11:40

Von Sachkenntnis zeugen die Äußerungen von Herrn Möllers zur Preisbindung bei E-Books nicht unbedingt, eher von seiner Liebe zur Argumentation nach dem Motto "Eine starke Behauptung ist besser als ein schwacher Beweis".

Die Kombination eines gedruckten Buches mit seinem elektronischen Pendant ("Bündelung") kann vom Verlag unterhalb des kumulierten gebundenen Ladenpreises der beiden Bestandteile bepreist werden, wie sich aus einer (analogen) Anwendung der Regelung zum Serienpreis in § 5 Abs. 4 Nr. 1 Buchpreisbindungsgesetz ergibt.

Richtig ist allerdings, dass es für die verschiedenen Ausgaben eines E-Books nur einen (vom gedruckten Buch unabhängigen) Preis geben darf. Insoweit ist die preisbindungsrechtliche Beurteilung nach Ansicht von Börsenverein und Preisbindungstreuhändern eine andere als z.B. die Vorgaben bei der ISBN-Vergabe, wonach jedes technische Format eine unterschiedliche ISBN bekommen sollte. Hintergrund für diese (noch nicht gerichtlich überprüfte) Rechtsansicht ist der Umstand, dass gerade auf großen E-Book-Plattformen die vom Verlag gelieferten (epub-)Dateien oft noch einmal in ein individuelles technisches Format verändert werden (für das eine separate ISBN vergeben werden muss). Wenn man die Preisbindungspflicht am individuellen technischen Format ansetzen ließe und nicht generell einen einheitlichen, formatunabhängigen E-Book-Preis fordern würde, könnte sich gerade etliche der großen Portale ohne Verstoß gegen die Preisbindungspflicht niedrigere Preise als der Wettbewerb aushandeln.

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Nico 4. November 2010 um 14:24

Die Bindung des Preises an ein technisches Format, die mein Vorredner anspricht, halte ich für höchst unwahrscheinlich. Immerhin wird ja ein urheberrechtlich geschütztes Werk verkauft, das seine Preiswürdigkeit durch den Inhalt erzielt und nicht durch die Auswahl eines bestimmten Format.
Das kann keine langfristige Lösung sein…

Und mal abgesehen davon, ob man inhaltlich mit den Aussagen von Herrn Möller komplett übereinstimmt: ich finde es sehr sympathisch, dass ein Verleger mal die Grenze zur Political Correctness überschreitet und auch mal ein wenig poltert.

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Nico 4. November 2010 um 14:36

Zu der Bundle-Geschichte auch noch ein Gedanke:

Wo bitte liegt der Mehrwert für das Bundle aus Papierbuch und eBook, wenn ich mir doch ein eBook innerhalb von 60 Sekunden auf meinen eReader laden kann?

Soll das Papierbuch als Staubfänger für die persönliche Bibliothek nachgeliefert werden?
Oder wäre es etwa schade um die schönen Bäume, die nicht abgeholzt werden, weil der Kunde das Papierbuch partu nicht dazuhaben möchte?

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Christoph 4. November 2010 um 14:46

Ähm, das hat die HTWK Leipzig, nicht die Universität organisiert :)

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Ralph Möllers 6. November 2010 um 03:56

Es freut mich, dass meine steilen Thesen ihren Zweck, nämlich die Anregung einer Diskussion, erfüllen. Nur zur Klarstellung @Großer Hirsch: Ich habe nicht behauptet, das eBook sei an den Printpreis gebunden. Ich weiß schon, wie die Preisbindung funktioniert. Ich finde Sie allerdings für eBooks in jeder Form kontraproduktiv. Sie schützt nicht und Sie nützt nicht. Und die abenteuerlichen betriebswirtschaftlichen Stunts, die zur Begründung von überzogenen eBook-Preisen (gebundene auch noch!) vorgeführt werden sind mindestens ärgerlich.

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Johannes 6. November 2010 um 15:30

Zum allgemeinen Verständnis: Hinter dem großen Hirschen 'verbirgt' sich Dr. Christian Sprang, Chefjustiziar vom Börsenverein.

Ciao
Johannes

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