Analyst: Amazon eBook-Marktanteil fällt rapide
Apples iPad bekommt eine Menge Vorschusslorbeeren: Von Nutzern und Verlagswesen, aber auch von Finanzanalysten. Spencer Wang von der Schweizer Großbank Credit Suisse traut Apple (und Google) zu, die Kindle-Vorherrschaft in den USA schon relativ schnell Geschichte werden zu lassen. In Zahlen ausgedrückt: Der Marktanteil bei verkauften eBooks soll von derzeit 90% innerhalb der nächsten fünf Jahre auf "nur noch" 35% fallen.
Wangs gestern publizierter Einschätzung zufolge verfügt Amazon.com aktuell über einen Marktanteil von 22% am nordamerikanischen Buchmarkt. In den kommenden Jahren rechnet der Analyst mit einem jährlichen Umsätzwachstum von 7,5%, wobei das Print-Geschäft hier als wichtigeres Standbein (im Vergleich zum Kindle-Business) gesehen wird.
In Sachen eBooks bekomme Amazon demnach zeitnah massive Konkurrenz von Apple und ihrem Agency-Modell für Verlage (freie Preisgestaltung), worüber Amazon mit seiner erfolgreichen $9,99 Preispolitik nachhaltig unter Druck gerate. In Konsequenz werde das zu einem rapiden Verlust von Marktanteilen an Apple, mittelfristig aber auch an Google (Google Books, Google Editions, Google Android sowie nach Informationen von Wang bald auch ein von HTC gebautes "Google Tablet") führen.
Die Analyse – und damit ihre Schlüsse – steht allerdings an einigen Stellen auf wackligen Beinen. Neben der durchaus zweifelhaften Tauglichkeit vom iPad als Lesegerät (auch im Vergleich zu anderen Tablets) stellt sich die Frage, ob die Verleger und Apple tatsächlich eine ökonomische Allianz gegen Amazon bilden werden – das harmonische Win-Win-Bild bekommt bereits erste Risse. So beklagen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger – auch ein Klientel von Amazon – geringe Margen und den Umgang mit Nutzerdaten. Wer Periodika digital über den App Store/iBooks abonniert, bleibt den Verlegern unbekannt – entsprechend wird bemängelt, der wichtige Draht zum Kunden gehe bei diesem Vertriebsweg verloren.
Gewagt erscheint weiterhin die Schätzung vom Credit Suisse Mann, Amazon.com vereine aktuell 90% des amerikanischen eBook-Markts auf sich. Andere Analysten gehen für das vergangene Jahr vielmehr von einem Marktanteil von etwa 60% aus, während Sony (im Report mit keinem Wort erwähnt) mit etwa 30% ebenfalls noch gut im Rennen war, sich gleichfalls über ein massives Umsatzplus freuen konnte und für 2010 ein vielversprechendes neues Pferd im Stall weiß. In sofern ist es zumindest fraglich, ob das eBook-Geschäft tatsächlich auf einen Dreikampf hinauslaufen (oder nicht doch eher unter mehr Parteien ausgefochten) wird.
Unterm Strich bleibt die sicherlich richtige Einschätzung, dass es für Amazon in den nächsten Jahren ungemütlich auf einem schnell wachsenden Zukunftsfeld wird. Mit einem einzigartig reichhaltigen Content-Angebot und Technologievorsprung (3G/Whispernet) war die Kindle-Plattform lange Zeit die unangefochtene Nr. 1, muss sich seit ein paar Monaten erstmals mit gleichwertiger Konkurrenz wie B&N’s Nook auseinander setzen. Dass das iPad hier aber tatsächlich eine (neuerliche) Zeitenwende markiert, werden erst einmal harte Verkaufszahlen beweisen müssen.
<via Wallstreet Journal & finanzen.net>
Kommentare
Matt 17. Februar 2010 um 15:08
So eine sinnlose Untersuchung… -.-
und für sowas kriegen manche Leute Geld.
Als ob man das nicht weiß, als ob Amazon dachte das bleibt ewig so und als ob Amazon ab jetzt Däumchen drehend rumsitzt… so sinnlos.
Nemoi 17. Februar 2010 um 17:34
aber auch eine falsche Überschrift – den es heisst ja nicht, dass der Marktanteil bereits fällt, sondern sie erwarten lediglich, dass das so kommt…
booky 17. Februar 2010 um 17:52
Ungemütlich wird es für Amazon erst in einem gesättigten oder schrumpfenden Markt. In einem rasant wachsenden Markt ist es logisch, dass mit dem Eintritt neuer Wettbewerber der Marktanteil zurück geht. Die absoluten Verkaufszahlen hingegen werden dennoch weiter steigen.
Wolfgang Lehner 18. Februar 2010 um 12:03
Apple sei Dank! Ich dachte schon, keiner hält Amazon auf. Auch wenn im ersten Moment Amazon für den Leser niedrigere Preise verspricht, so hat das doch zur Konsequenz, dass der stationäre Buchhandel schwer leiden muss oder gar, dass Verlage bei diesen Preisen nicht mehr rentabel produzieren können. Die Buchpreisbindung schützt in Deutschland zwar vor einem Preiskampf, aber nicht vor sinkenden Buchpreisen. Erst mit mehreren Konkurrenten am Markt wird die Preisbildung wieder transparent und fair. Schade ist nur, dass es immer Amerikaner sind, die etwas bewegen. Ciando und Libri sind so im traditionellen Buchhandel eingebunden, dass ihr Drang nach Veränderung doch sehr gering ist – Buchpreisbindung sei dank, muss man ja auch nix ändern, geht ja allen gut. Allerdings kommen wir so natürlich nie aus unseren engen Grenzen raus, während die anderen von draußen rein kommen … das nennt sich übrigens Globalisierung und hat – erstaunlich – auch was mit unseren Büchern zu tun.
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